Während ich dabei bin, erst einmal herauszufinden, was so alles an Bord ist, fehlendes Material und Werkzeug besorge, eine erste grobe Reinigung vornehme, das Großsegel zur Revision gebe, ist die Pacifico von Neuseeland Richtung Fiji gestartet. An Bord der Pacifico ist soviel Zeug, dass ich bereits in Neuseeland für die Amiga eingekauft habe, dass sie deutlich tiefer im Wasser liegt, als üblich.
Doch dass ich diesmal bei der Überfahrt nicht dabei bin fühlt sich manchmal schon komisch an. Nun, bald werde ich ja mit meinem eigenen Boot unterwegs sein.
Am Montag, den 22.5. erreicht die Pacifico dann gesund und munter Fiji. Einziger Schaden, der noch nicht einmal wetterbedingt war, ist eine zerrissene Genua. Die sieht dann ausgebreitet allerdings richtig mitgenommen aus.
Gleich am nächsten Tag startet Hermann seine tatkräftige Unterstützung bei allen geplanten und, wie es sich herausstellt, auch bei vielen ungeplanten Arbeiten, um die Amiga segelfertig zu machen.
Das beginnt mit dem Einbau des mitgebrachten Inverters, mit dem aus dem 12Volt Bordstrom eben auch mal in Strom für die normale Steckdose gewandelt werden kann.
Die inzwischen gelieferten Rohre für die feste Seereling haben einen zu großen Durchmesser. Offenbar geht es hier beim Durchmesser nach dem Innenmaß und nicht, wie in Europa üblich, nach dem Außenmaß. Das soll der Mensch ja auch erst einmal wissen. Also auf nach Lautoka, um den Umtausch zu veranlassen, da ich zunächst von einer falschen Lieferung ausgehe. Im Geschäft können wir uns dann die Rohre nicht ansehen, sondern müssen zum Außenlager in der Nähe des Hafens.
Was wir für eine Sache von wenigen Minuten gehalten haben, zieht sich dann über fast eine Stunde hin. Ich brauche Rohre mit einem Durchmesser von 25 mm. Es gibt aber nur 27 und 28 mm. Und es gibt Qualitätsunterschiede – hergestellt in Fiji und hergestellt in Australien. Der Preisunterschied beträgt 100% mehr für die australische Qualität. Ich nehme die australischen Rohre, weil sie den geringsten Durchmesser haben und kann den Differenzbetrag direkt im Lager bezahlen. Doch dann wird es spannend und wir müssen viel Überzeugungsarbeit leisten. Die Buchhalterin möchte, dass erst die bereits gelieferten Rohre abgeholt werden. Wenn die dann zurück im Lager sind, können die neuen Rohre ausgeliefert werden. Sie weigert sich zunächst, dass der Umtausch ümit einer Fuhre erledigt wird. So etwas effizientes passt einfach nicht in ihr Buchungsschema. Es braucht eine Weile, bis sie bereit ist, es anders zu machen.
Und letztendlich sorgt Hermanns einwirken auf den Fahrer und Vorarbeiter dafür, dass die Rohre bereits zwei Stunden später mit einem Sondertransport ausgetauscht werden. Da soll noch einmal etwas von Fiji-Time sagen.
Das in Neuseeland erworbene Schweissgerät macht sich jetzt schnell bezahlt. Innerhalb von zwei Tagen hat Hermann die neue Reling angeschweißt. Ein Plus an Sicherheit und ein echter Gewinn für die Amiga. Und auch der Schekel am Anker, der nicht durch die Führung passt, wird eingekürzt und verschweißt, damit er sich nicht mehr öffnen kann. Mir bleibt durch diese kleine Änderung erspart, den Anker jedesmal mit der Hand die letzten Zentimeter nach oben zu wuchten.
Die Pacifico liegt im Marina-Becken, während die Amiga hundert Meter weiter im Erdloch steht. Es gibt einen regen Pendelverkehr zwischen beiden Booten. Sei es um Material und Werkzeug zu holen, kalte Getränke aus dem Pacifico-Kühlschrank, oder auch zum morgendlichen Tee. Wir arbeiten von morgens um 8 Uhr bis 17 Uhr abends. Nach einem gemeinsamen Abendessen auf der Pacifico falle ich meist todmüde in mein Bett, nur um dann mitten in der Nacht aufzuwachen und mir Gedanken über anstehende Arbeiten zu machen, die ich häufig auch noch einmal im Internet recherchiere. Gelobt sei Google.
Während Hermann sich mit Dingen wie,der Reling und der Umleitung der Grossfall und der Reffleinen ins Cockpit beschäftigt, entdecke ich, was es heißt Rost zu klopfen. In der Vorbereitung des Farbwechsels der Amiga von dem hässlichen „Battle-Ship“ grau mit gelben Streifen zu einem strahlenden Segelyacht in weiß, entdecke hier und dort dann doch die eine oder andere Roststelle, die zunächst vorbehandelt werden will mit Rostwandler und Rostprimer.
Kaum einer versteht, warum die Amiga nun unbedingt einen neuen Anstrich braucht, ist der alte Anstrich doch in einem sehr gutem Zustand. Doch für mich ist es einfach eine ästhetische Grundvoraussetzung, dass mein Boot weiß ist. Und erst danach ist mein Kopf frei für die technischen Dinge, den Motor und all die Dinge, die eigentlich Priorität hätten. Letztendlich schütteln zwar alle mit dem Kopf, akzeptieren jedoch meine Sturheit in diesem Punkt.
Mohammed hat inzwischen die Windschutzscheibe fertig gestellt und Hermann hat das Holz Hochglanz lackiert, wodurch der schöne Mahagoniton der Holzes gut zur Geltung kommt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und findet allgemeine Bewunderung. Doch nun passt das Einstiegsfenster nicht mehr. Die Luke bleibt nicht von allein offen, weil sie sich nicht weit genug öffnen lässt. Ich hatte vorher schon immer Angst, dass sie mir auf den Kopf fällt und mir daher schon seit Monaten Gedanken gemacht, wie ich es anders lösen könnte. Aus finanziellen Gründen wollte ich dieses Thema auf später verschieben, doch nun meint Hermann, hier ginge es um Lebensqualität. Und Lebensqualität ist wichtig. Also wird Mohammed beauftragt eine neue Eingangstür nach meinen Vorstellungen zu bauen.j
Wir bauen die alte Luke schon einmal aus. Je tiefer wir in die Technik der Amiga einsteigen, je klarer wird, das so gut wie nichts mehr funktioniert. Die Amiga hat über zwei Jahre an Land gestanden und ist davor wohl auch nur eher selten gesegelt worden, seit Pierre sie im Besitz hatte. So ist vieles dann in der Pflege vernachlässigt worden und hat sich kaputt gestanden. Die Anschlüsse, Geräte und Leitungen sind einfach korrodiert und hinüber. Zudem war Pierre eben wohl, aus welchen Gründen auch immer, Minimalist. Wahrscheinlich hat er das Energiesystem der Amiga nicht durchschaut, hat deswegen alles abgeklemmt und abgeschnitten, was Energie verbrauchen könnte und für den einfachen Segelbetrieb nicht notwendig ist. Dazu gehören insbesondere dann auch der Wassermacher, die Heizung und der Heißwasserboiler. Alles nicht mehr zu retten.
Als Hermann die beiden neuen Solarpaneele anbaut, stellt er fest, dass die vorhandeen so gut wie keinen Strom mehr liefern können und zudem völlig falsch angeschlossen waren. Wie gut, dass ich die beiden neuen Paneele bereits in Neuseeland gekauft hatte und mich nicht auf die vorhandenen allein verlassen habe.
Ich lasse die Ankerkette auslaufen, um zu sehen, wie es mit den Markierungen ist. Schließlich muss ich wissen, ob ich beim ankern nun zwanzig oder vierzig Meter Kette draußen habe. Hermann sieht sich die Kette dabei genauer an. Sie ist an einer Stelle mit zwei Schäkeln geflickt, an einer anderen Stelle sind drei Kettenglieder ziemlich rostig. Nun, da müssen wir wohl demnächst noch einmal ran.
Beim Einziehen der Kette verhungert die Batterie, obwohl die Amiga am Landstrom hängt. Offenbar wird die Batterie für Ankerwinde und Bugstrahlruder nur geladen, wenn der Motor läuft. Über Nacht lassen wir die Batterie neu laden und versuchen am nächsten Tag erneut die Kette einzuziehen. Die beiden Schekel laufen nicht durch die Führung und setzen die Kette und Winsch fest. Nun funktioniert die Winsch gar nicht mehr. Weder rauf noch runter. Letztendlich löst ein Elektriker von Baobab das Problem, indem er ein defektes Kabel austauscht.
Ich kann nicht abschätzen, ob der Wassertank wirklich so groß ist, wie angeben. Und solange ich keinen Wassermacher habe muss ich, wie auch auch mit den Treibstoff, den Wasserverbrauch planen können. Es gibt einen Wasserverbrauchszähler. Ich prüfe ob er funktioniert. Tut er. Erfreulich. Doch dabei stelle ich fest, dass die Wasserpumpe leckt. Da eine Ersatzdichtung wahrscheinlich nicht so ohne weiteres zu bekommen ist, lasse ich mir im Marina-Shop mit die einzig vorhandene neue Druckwasserpumpe zurück legen, die sie dort haben. Ich will sie später abholen, wenn ich genügend Bargeld dabei habe. Als ich dann wieder in den Shop komme, ist die Pumpe weg. Verkauft, als der Kollege draußen an der Tankstelle war, um einen Kunden zu bedienen. Jungs, ihr macht doch gerade einen Scherz mit mir????!!!!!!
Weil sie merken, dass ich immer fassungsloser werde und wohl auch ein Gewitter aufziehen sehen: Ja, es ist ein Scherz! Mein Ehemann hat die Pumpe gekauft und es soll eine Überraschung werden.
Aus irgendeinem Grund glaubt jeder hier, Hermann ist mein Ehemann. Wir lassen sie in dem Glauben, wobei ich hier Vuda doch eigentlich allein angekommen bin und das auch jeder weiß. Naja, eine Zeitlang glaubten alle, ich sei die neue Freundin von Pierre. Es ist hier eben, wie in einem Dorf. Jeder macht sich über jeden Gedanken und auch ansonsten wird getratscht, was das Zeug hält, wenn man länger hier ist. Mich stört es meistens nicht weiter, schließlich bin ich in einem Dorf aufgewachsen und kann damit umgehen.
Als ich wieder an Bord komme, erzähle ich Hermann die Wasserpumpen-Story und wir lachen darüber. Die neue Pumpe läuft schon. Die alte bleibt Ersatz und erhält bei Gelegenheit eine neue Dichtung.
Man sollte denken, bei allem was nicht funktioniert und kaputt ist, müsste ich von einer Ohnmacht in die nächste fallen. Doch gerade jetzt habe ich mit Hermann den richtigen Freund an meiner Seite. Beide sind wir eher Menschen, die sich nicht lange grämen, sondern statt dessen nach einer Lösung des Problems suchen. Da wird nicht lange lamentiert, sondern gelöst und gemacht. Fertig. Und wenn es so nicht geht, dann machen wir es eben anders. Todo pacifico. Alles friedlich.
Die Amiga erhält ihren neuen Anstrich und Unterwasseranstrich. Unverhofft gibt es hier zusätzliche Hilfe von Ray, Lionheart of Clyde, der früher als erwartet in Fiji angekommen ist. Eigentlich hat er nur ein paar meiner Sachen aus Neuseeland mitgebracht. Doch dann hat er sich irgendwann angeboten doch zumindest beim Anstrich mitzuhelfen. Dadurch können wir den Zeitplan am Montag, den 12. Juni, mit de Amiga ins Wasser zu gehen gut einhalten.
Und das ist dann auch ein toller Moment als es endlich wieder ins Wasser geht.
Fast vier Wochen harte Arbeit liegen hinter uns. Und alles klappt gut. Alles ist dicht. Diesmal tritt kein Wasser ein und auch die Seeventile tuen ihren Dienst. Wunderbar.
Die kurze Fahrt durch das Marina-Becken erinnert mich schnell daran, dass ich mich um ein Problem nicht gekümmert habe. Den Motor-Schalthebel für Gang und Gas. Der lässt sich nur schwer bewegen, manchmal muss man fast draufhauen. Männer finden das nicht so schlimm, mich versetzt es fast in Panik, nicht dosiert Gas geben zu können, um das Boot zu fahren. In der Aufregung vergesse ich, dass das Bugstrahlruder einen gesonderten Anschalter hat und ich denke, es funktioniert nun auch nicht mehr. Jetzt bloß nirgends gegen fahren und bei den anderen teuren Yachten einen Schaden verursachen. Natürlich liegt gerade jetzt mitten in dem ohnehin schon kleinen Becken ein Boot an der Boje. Ganz langsam gleite ich mit der Amiga in den engen mir zugewiesenen Liegeplatz und quetsche mich, im wahrsten Sinne des Wortes, zwischen zwei andere Boote. Viele hilfreiche Hände, so erscheint es mir, sorgen dafür, dass alles gut geht und die Amiga sicher vertäut nur Augenblicke später an ihrem neuen Platz liegt. Uff.
Der Motorhebel wird sofort ausgebaut. ‚Sofort‘ dauert zwei Stunden, weil er an einer nur schwer zugänglichen Stelle eingebaut ist. Doch es ist nicht, wie erwartet, eine Schraube, die zu fest angezogen ist, sondern das kleine unzugängliche Getriebe des Hebels. Unnötig zu erwähnen wie sehr das ganze verdreckt, verrostet und korrodiert ist. Hermann gibt sich alle Mühe das Teil wieder gängig zu machen. Umsonst. Ich beschließe, dass es auch neu muss, wie vieles andere. Bis Ersatz aus Deutschland kommt, wird es einige Wochen dauern. Solange soll das alte Teil wieder eingebaut werden. Ich habe fast Bauchschmerzen bei dem Gedanken, dass ich damit umgehen muss, sei es auch nur für zwei Wochen. Doch es nützt wohl nichts.
Beim Wiedereinbau rutscht ein Metallstück in die Tiefen der Amiga und geht unauffindbar verloren. Völlig frustriert nach der vergeblichen Suche vertagen wir das Problem auf den nächsten Tag.
Wir haben im Moment erst einmal genug Probleme gelöst und wissen, dass wir auch noch nicht am Ende sind.
Es stehen noch bevor der Einbau der bestellten Technik und Geräte aus Deutschland, die die Amiga zu einem sicheren und komfortablen Langzeitsegler machen werden.
Doch die Amiga schwimmt, macht trotz aller Widrigkeiten einen stabilen und sicheren Eindruck. Ich habe ein bisschen das Gefühl, sie rechtzeitig gekauft zu haben, um sie zu retten. Noch länger an Land hätte die Zerstörung dieses schönen Bootes nur weiter voran getrieben und Pierre hatte nicht genügend Zeit und auch möglicherweise nicht die Einstellung, um sich hier richtig um sie zu kümmern.
Nun freue mich schon auf meine erste Tour mit ihr. Am Mittwoch soll es losgehen. Gemeinsam mit der Pacifico soll es nach Musket Cove gehen, um dort weitere Arbeiten in einem etwas gemächlicheren Tempo zu erledigen und schon einmal ein bisschen cruisen zu gehen.
Mensch, alles Kummer und Kwell. Ich hätte schon lange aufgegeben.
Liebe Ria, es ist weder Kummer noch Qual. Es ist wirklich alles gut. Etwas mehr, als erwartet, vielleicht. Doch nicht ungewöhnlich, wenn man ein fast dreißig Jahres altes Boot kauft. Und trotzdem bin ich jetzt schon nach vier Wochen segelfertig. Es geht jetzt eigentlich nur noch um Komfort und eine neuere Technik. Und auch das ist bei jedem älterem Boot so. Also mache dir keine Gedanken, es ist alles gut. Insgesamt bin ich sehr zufrieden.
Nur nicht irritieren lassen. So wie es aussieht, machst Du Dein „Ding“ und auch nur nicht quälen. Chapeau, Michael. ?
Liebe Hilde,
da hast du ja wirklich ganze Arbeit geleistet, natuerlich mit tatkraeftiger Unterstuetzung. Wie toll, dass deine Amiga schon nach so kurzer Zeit segelklar ist. Nun macht mal halblang und geniesst eine schoene gemeinsame Zeit in der Musket Cove. Gruss an Hermann und weiterhin gutes Gelingen !
Alles Liebe wuenschen die Walkabouts aus den USA
Liebe Hilde,
da bewahrheitet sich der Spruch „Man wächst an seinen Aufgaben“. Ich bin platt, dass du so positiv und tatkräftig dabei bist. Aber du hast ja auch schon auf der Pacifico einige Erfahrungen gesammelt, die dich nicht unvorbereitet in solche Situationen bringen. Ich hoffe sehr, dass du auch weiterhin alles so gut meistern wirst. Segelst du eigentlich jetzt schon allein oder schon mit Crew? Auf jeden Fall auch bei der Auswahl wünsche ich dir eine gute Hand. Hier genießen wir jetzt den Sommer. Nicht so aufregend wie dein Leben, aber auch schön. Bleib schön gesund. Ich hoffe du besuchst mich bei deiner Rückkehr wieder.
Liebe Hilde,
bin beeindruckt von Deiner Leistung un der Zähigkeit, mit der Du dafür sorgst, dass die Amiga in Zukunft ein sicheres und zuverlässiges Boot sein wird. Dass die Ankerwinch nur funktioniert, wenn der Motor läuft, ist ganz normal. Die Batterien alleine halten der Last nicht stand.
Es ist beruhigend zu wissen, dass auf das Ankergeschirr Verlass sein wird und die Motorsteuerung funktioniert, wenn es im Juli losgeht.
Ich freu mich schon.
Wie sieht es übrigens mit der Navigation aus? ist da schon alles in Ordnung? Nach allem, was ich gehört habe, ist das elektronische Kartenmaterial für Fidji problematisch.
Aber ich denke, darüber wirst Du demnächst noch berichten.
herzliche Grüße
Liebe Hilde,
wir freuen uns, dass du mit Fleiß und Ehrgeiz und mit Herrmann’s Unterstützung so gut mit den Arbeiten voran kommst. So lernst du vielleicht manchmal auch unfreiwillig jede Ecke an und in der Amiga kennen. Es ist wie mit den Kinder kriegen, am Ende sind die Strapazen schnell vergessen und du wirst mit Stolz und Freude mit deiner Amiga auf große Fahrt gehen.
Liebe Grüße auch an Herrmann
von den Klaro’s