Viele Bootseigner werden mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, dass ein Segelschiff auch eine Seele hat. Es ist an Bord ein viel intensiveres Erleben der Umgebung als beispielsweise in einem Haus. Die Atmosphäre auf einem Boot ist einfach besonders. Beinahe greifbar und auf jedem Boot anders. Und ein Boot „redet“ mit einem.
So ist man im ständigen Austausch mit dem Boot, wenn man Bord ist. Zumindest geht es mir so. Man hört auf alle Geräusche und manchmal auch auf die Nicht-Geräusche. Sie sprechen zu mir. Ob nun der Motor, der Kühlschrank, das Rattern einer Winsch, das Knarren einer Diele. Mit der Zeit kann ich nun alle Geräusche zuordnen. Wenn dann ein neues dazu kommt oder etwas anders klingt, als gewöhnlich, bin ich zunächst einmal besorgt und schaue nach, was da los ist. So weiß ist fast immer, ob es der Amiga gut geht oder ob etwas nicht stimmt.
Manchmal haben die Dinge an Bord auch ein wirkliches Eigenleben, wie zum Beispiel der Kühlschrank. Er lief und lief. Ich konnte ihn über den Thermostaten nicht mehr abschalten. Am Kühlelement innen bildete sich schon leichter Schnee. Meine Diagnose: der Thermostat ist defekt.
Nach einer Woche manuellen an- und abschaltens, bin ich dann in der Vuda Marina, um meinen Mitsegler abzuholen. Natürlich gehe ich hier wie immer an den Landstrom, Auch schon deshalb, weil ich noch eine neue dritte Servicebatterie bestellt und eingebaut habe, die erst einmal durchgeladen werden muss.
Dem Thermostaten schien das zu gefallen, denn plötzlich nehme ich wahr, wie der Kühlschrank wieder von alleine an- und abschaltet. Verstehen tue ich das ehrlich gesagt nicht. Und wahrscheinlich geht er jetzt auch nicht mehr kaputt, weil ein neuer Thermostat mit dem Mitsegler anreist.
Ein paar Tage später gibt der Kühlschrank wieder andere Geräusche von sich. Manchmal ein leises klirren und er läuft gefühlt auch länger als üblich. Diesmal ist es der Filter, in dem sich ein faustgroßes Knäuel Seegrass gesammelt hat. Als ich das Knäuel in der Hand habe, wundert es mich natürlich nicht mehr, dass der Kühlschrank länger laufen musste, um die Kühltemperatur zu erreichen.
Im Gepäck meines Mitseglers aus Deutschland sind noch weitere Ersatzteile für die Amiga und auch Geburtstagsgeschenke für mich. Unter anderem gibt es jetzt einen Amiga-Stempel und neue Amiga-Fendersocken. Wenn das nicht Art hat.
Ersatzteile bedeuten für mich selbstverständlich auch wieder Arbeit, die ich möglichst noch vor dem Neuseeland-Törn erledigen muss. Die Zeit läuft mir förmlich durch die Finger. Ob ich das wohl noch alles schaffe, was ich mir vorgenommen habe? Teilweise geht es ja nicht nur um die Arbeit, sondern ich muss überhaupt eine Lösung finden, wie ich es machen kann. Der Motorhebel soll auf gar keinen Fall wieder dorthin, wo er vorher war. Für Reparaturen ist der alte Platz dort hinter dem Schrank, wo jetzt der Boiler ist, absolut unzugänglich. Doch die zündende Idee, wie ich es anders machen kann und mit welchem Material, ist mir noch nicht gekommen. Jede Lösung scheint bisher nicht wirklich glücklich zu sein, nicht machbar oder schlichtweg zu teuer. Doch kommt Zeit, kommt Lösung.
Am Sonntag landet zu einen völlig unchristlichen Zeit morgens um 4 Uhr mein Bordgast in Nadi und um 8.30 Uhr machen wir schon die Leinen los Richtung Waya.
Ab und zu nieselt es, regnet sogar kurz, dann ist es wieder trocken. Doch der Himmel bleibt bedeckt. Kein schöner erster Tag in Fiji. Wir gehen am frühen Nachmittag in der Nordbucht von Waya vor Anker. Hier war ich vor ein paar Wochen schon einmal, froh über diesen eigentlich gut geschützten Ankerplatz im flachem Wasser. Doch diesmal weht es aus Nordost. Bevor ich die Maschine ausmache, schaue ich noch einmal auf den Wetterbericht. Hmmmhhhh. Das könnte eine schaukelige Nacht geben und das muss ja nicht sein. Also wieder Anker hoch und weiter um die Landzunge herum nach Westen zum Octupus Ressort. Als der Ankerplatz vor dem Ressort in Sicht kommt, ist mir auch klar, warum wir in der Nordbucht völlig allein waren. Es liegen hier mindestens sieben andere Boote an dem jetzt windgeschützten Ressort vor Anker, um hier eine ruhige Nacht zu verbringen.
Die Renahara aus Neuseeland ist in der Nähe. Wir hatten schon vorher Kontakt zueinander aufgenommen, um uns nicht zu verpassen. Ich freu mich schon riesig darauf, Renate und Martin wieder zu sehen. Sie liegen vor der Manta-Passage. Vom Octopus Ressort nicht einmal zwei Stunden entfernt. Als wir dort ankommen, sind sie nicht an Bord. Das Dingi ist nicht da. Doch irgendwann werden sie sicher auftauchen. Erst einmal geht es darum hier sicher vor Anker zu gehen.
Es ist mit um die 20 Meter ziemlich tief. Die hier schon vor Anker liegenden Boote liegen trotz des Windes kreuz und quer. So richtig sympathisch ist es mir nicht hier vor Anker zu gehen. Richtung Ufer, wo es dann flacher wird, sind auch Korallen. Dort möchte ich auch nicht ankern. Zum einen aus Sorge, den Anker hinter einem Korallenkopf zu verhaken, zum anderen habe ich den Platz vom letzten Jahr in schlechter Erinnerung. Als wir damals mit der Pacifico hier lagen, slippte morgens um 5.30 Uhr plötzlich der Anker. Es ging damals alles gut, obwohl wir kurz Riffberührung mit dem Kiel hatten. Und mit anderen Worten, ich habe keine Lust auf Wiederholung so einer Geschichte.
Ich entscheide mich für das tiefe Wasser und dann eben mehr Kette.
Und eine viertel Stunde später liegen wir in gutem Abstand zur Renahara.
Weil jetzt schon die Ankerkette so weit draußen ist, wie überhaupt noch nicht in dieser Saison, gebe ich mir einen innerlichen Ruck und schau mal in den Ankerkasten. Ganz unten am Boden rosten die letzten Meter Ankerkette so vor sich hin. Klar, sie liegen hier ja auch manchmal im Salzwasser, bis es wieder abgelaufen ist. Und etwas Schlick, wenn die Ankerkette zu schmutzig war, ist auch dabei. Eigentlich ist es völlig falsch so. Die letzten Meter sollten vorne in der Spitze liegen, wo es fast immer trocken ist, denke ich. Und dort am Boden dann der Teil der Kette, der sowieso ständig rein und raus geht.
Und wenn ich jetzt schon mal dabei bin, dass neu zu ordnen, den Schlick hinaus zu befördern, ist es ja auch wohl sinnvoll mal den Wasserablauf aus dem Kasten zu prüfen. Und? Jetzt kann es sich sicherlich jeder denken. Die beiden dünnen Rohre sind zu. Verschlickt. Wohl dem, der eine Ankerkettenwaschanlage hat.
Also rein ins Wasser, um von außen in den Abläufen herumzustochern. Dann wieder zum Ankerkasten, Wasser nachkippen, von innen stochern, wieder ins Wasser und von außen….. Es geht etliche Male rein und raus, bis es endlich wieder vernünftig abläuft.
Und zwischendurch Wiedersehensfreude mit der Renahara nach über sechs Monaten.
Wir verabreden uns nachmittags zum Schnorcheln und abends zur Pizza an Bord der Amiga.
Das Schnorcheln über dem Riff etwas südlich von uns, ist schon ein besonderes Erlebnis. Ich habe ja nicht viele Riffe gesehen, doch ich denke es wird schwer sein, etwas noch Schöneres zu finden. Über mir glitzert die Sonne, zaubert im Riff ein Licht- und Schattenspiel der besonderen Art. Die Vielfalt der Korallenarten in ihren unterschiedlichen Farben gleicht einem üppigen Garten zu Beginn des Sommers. Große, fast runde Bälle, die mit einem samtigen braun-gelben Muster überzogen sind. In der Bewegung des Meeres wogende zarte Pflänzchen zwischen denen sich in allen Farben schillernde Fische und Fischchen tummeln. Eine andere Korallenart sieht aus wie die Rüschen an einer Bluse in sanft leuchtenden Grüntönen. Korallen, die aussehen wie riesige Pfifferlinge mit zarten Mustern. Korallen in ungewöhnlichem violett, die durch ihre Farbenpracht immer wieder meine ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dazwischen weiße zart verästelte Korallen, so rein, dass sie an frisch gefallenen Schnee denken lassen. Unmengen verschiedener Fischarten tummeln sich in diesem Revier.
Einige ganz unauffällig in braun-gelben Mustern, in schwarz oder im sanften blau des Meeres. Andere im kräftigen zitronengelb, orange, rot, irisierenden neonblau. Am schönsten finde ich die Fische, die in den Farben des Regenbogens schillern. Ich folge ihnen, wenn sie vor mir weghuschen und sich zu verbergen suchen. Fasziniert beobachte ich, wie einer dieser bunten Fische plötzlich seinen Unterkiefer zu einer langen weißen Trompete ausfährt zwecks Nahrungsaufnahme. Andere Fischlein kommen neugierig näher und scheinen weniger scheu.
Viel zu schnell vergeht die Zeit und ich fange an zu frösteln, trotz einer Wassertemperatur von 29°. Doch Morgen ist ja auch noch ein Tag.
Die Nacht wird für mich zu einem besonderen Erlebnis. Der Ankerplatz war mir ja nicht sonderlich sympathisch, doch es schien alles gut zu sein, da ich genügend Kette herausgegeben hatte. Nachmittags hatte neben mir noch ein Amerikaner geankert. Aufgrund der Nähe zur Amiga hatte er höflich gefragt, ob es für mich in Ordnung sei. „Of course „, nachdem ich kurz hingeschaut und mir auch überlegt habe, wie nahe das andere Boot uns kommen könnte. Doch wenn wir gleichzeitig im Wind drehen, dürfte es kein Problem geben.
Ich war im ersten Tiefschlaf, als ich so gegen 23 Uhr hochschrecke. Es hatte sich angehört, als wenn eins meiner Solarpanele heftig gegen die Wanten geschlagen hat. Da das aber nicht sein konnte, kann es eigentlich nur das andere Boot gewesen sein. Bis ich im Dunkeln endlich etwas zum Überziehen gefunden habe und oben an Deck bin, ist jedoch alles ruhig. Das amerikanische Boot schwimmt in gebührendem Abstand zur Amiga. Sollte ich mich getäuscht haben? Dann bliebe nur, dass etwas gegen die Ankerkette getrieben ist. Doch dort ist auch nichts zu sehen. Unruhig gehe ich wieder ist Bett, bleibe angezogen. Noch einmal gehe ich nachschauen mit dem nachhaltigen Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Und jetzt ist der amerikanische Segler hell erleuchtet und an Deck herrscht rege Betriebsamkeit. Ich rufe rüber und frage, ob alles in Ordnung ist. „We’re drifting around and we hit you with our solar panels“. Aha, also doch. Und das Problem war nicht der Wind, sondern die unterschiedliche Strömung nach dem Tidenwechsel. Wir stimmen uns ab, wie viel Ankerkette wir jeweils draußen haben. Mein Nachbar zieht daraufhin einen Teil seiner Kette ein. Zweimal gehe ich noch an Deck, bevor auch ich einigermaßen sicher bin, dass wir diese Nacht dann Ruhe haben werden.
Doch am nächsten Vormittag wird es zum erneuten Tidenwechsel wieder eng. Notgedrungen zieht mein Nachbar am Nachmittag um auf einen besseren Ankerplatz. Vorher versucht er noch bei einem Tauchgang, seine in der Nacht über Bord gegangene Angelrute wieder zu finden. Ich glaube, ohne Erfolg, so wie es aussah. Doch größer dürfte der Schaden nicht gewesen sein. An der Amiga gab es gar keine sichtbaren Blessuren. Stahlboot eben.
Am Abend sind wir zu Gast auf der Renahara. Ich lerne einen für mich neuen Begriff: „Mädchen-Entspannungsbrause“. Mit anderen Worten, Renate macht für uns Mädels eine Flasche Sekt auf. Entsprechend gut ist die Stimmung, als mein Mitsegler anfängt auf seiner mitgebrachten Ukulele zu spielen, begleitet von Martin auf seiner Mandoline. Es ist ganz erstaunlich, wie gut Martin bereits spielen kann, nachdem er im April erst überhaupt damit angefangen hat. Es ist schon weit nach „Sailors-Midnight“ (9.00 Uhr), als wir dann zurück zur Amiga fahren.
Gemeinsam mit der Renahara zuckeln wir über das Octopus Ressort zurück nach Malolo, wo wir im Norden vor dem Likuliku Ressort vor Anker gehen.
Am nächsten Tag wollen wir meinen Geburtstag in Musket Cove feiern. Vorgesehen habe ich ein Barbeque an den freien Grillplätzen an der Bar. Als wir nach einer knappen Stunde Fahrt dort ankommen, stellen wir enttäuscht fest, dass keine Mooring an diesem Tag frei ist. Eigentlich nicht wirklich verwunderlich, denn es weht mittlerweile mit über 20 Knoten und dann ist es hier immer voll. Ich ankere insgesamt dreimal. Beim ersten Mal mag mein Nachbar meine Nähe nicht, obwohl noch zwei Bootslängen dazwischen liegen. Ich bin etwas verwundert, aber ein beunruhigter Nachbar macht auch mich unruhig. Im Nachhinein erfahren wir, dass alle etwas nervös bei dem Wind sind, weil in der vergangenen Nacht ein Boot unbeleuchtet durch das Anker- und Mooringfeld gedriftet ist. Die mehrfachen misslungenen Ankerversuche des Seglers hatten alle in helle Aufregung versetzt und ihnen den Nachtschlaf geraubt.
Beim nächsten Mal Ankern ist mir dann das Ergebnis zu eng und erst beim dritten Mal, denke ich, dass ich bei dem Wind damit leben kann. Doch wirklich wohl fühle ich mich nicht und an Landgang mit dem Dingi ist bei dem Wetter gar nicht zu denken. Es sei denn, man möchte pitschnass ankommen. Der Renahara geht es ähnlich wie mir. Wir stimmen uns kurz ab und schon geht es wieder Anker auf und zurück an den geschützten Ankerplatz von Likuliku. Um ein Haar wäre mein Geburtstag diesmal vom Winde verweht worden. Dabei hatte es diesmal morgens schon mit vielen Geschenken und einen Glas Sekt, mitgebracht von der Renahara, wunderbar angefangen. Und nun stand uns noch ein ebenso schöner Abend bevor mit einem guten Essen und sogar einem von Renate gebackenen Geburtstagskuchen als Nachtisch.
Ein weiterer Höhepunkt war für mich das Geburtagsständchen, gespielt auf Ukulele, Mandoline und Blockflöte.
Vielen Dank auch an alle, die an mich gedacht haben und deren Glückwünsche mich über das Internet erreicht haben. Das ist die große Welt ganz nah erleben.
Mein dritter Geburtstag auf See in einem anderen, für mich immer noch eher neuem Leben.
Am Sonntag geht es dann bei ruhigem Wetter doch noch nach Musket Cove. Ich entscheide mich für die bequeme Mooring und die Renahara ankert direkt daneben. Für die Fahrt haben wir die Crew getauscht. Abwechslungsreich und auch Erfahrungsaustausch. Martin hat mein Besansegel, dass am Unterliek eingerissen war repariert und mit mir zusammen die Ankerwinsch in Ordnung gebracht. Ich muss gestehen, ich hatte schon ziemlich Sorge, dass sie wirklich defekt ist und ich eine neue benötige. Grund für diese Besorgnis war, dass die Nuss durchdrehte, als ich den Anker nach oben ziehen wollte. Auch ein festziehen der Nuss half jetzt nicht mehr. Und dann war alles ganz einfach. Es fehlte nur etwas Fett und schon war alles wieder gut. Wenn doch immer alles so einfach gehen würde. Wunderbar.
Ein Ausflug am Montag mit der Amiga zur Cloud 9 bringt bei gutem Wind und Welle dann doch nicht so richtig den gewünschten Spaß. Das Dingi hüpft eher durch die Wellen vom Boot hinüber zur Cocktailbar und alle werden nass.
Zurück in Musket verabreden wir uns zum gemeinsamen Abendessen auf der Renahara, die mittlerweile auch einen weiteren Gast an Bord hat.
Nach dem Essen soll musiziert werden und wir freuen uns schon auf einen weiteren tollen Abend. Und der wird dann auch wirklich so richtig toll. Ein weiteres Seglerpaar von der Chewaldy gesellt sich mit Gitarre und Ukulele dazu. Das Deutsch-Irische Paar musiziert schon seit Jahren zusammen und das merkt man auch. Sie sind absolut aufeinander eingestimmt. Wir erleben einen wunderbaren stimmungsvollen Irish Folk Abend der Sonderklasse. Im stillen hoffe ich, dass ich sie in Neuseeland wiedersehen werden und auf eine Wiederholung eines solch geselligen, musikalischen Abends.