Nicht nur ich freue mich über die Ankunft in Neuseeland. Auch Thomas freut sich riesig. Frauke wird informiert, dass wir gut angekommen sind. Und dann machen wir uns auf den Weg von Marsden Cove Richtung Town Basin. Mit der Tide kommt es nicht so ganz hin, doch das ist uns erst einmal egal. Das
Wasser läuft ab und bis wir in Whangarei ankommen wird Niedrigwasser sein. Da kann es an der einen oder anderen Stelle schon mal eng werden. Und die eine Stelle haben wir dann endgültig erreicht, nachdem wir schon ziemlich durch den Schlick gerutscht sind, als wir gerade an Kissing Point vorbei sind. Wir sitzen fest.
Nun, eigentlich ja nicht weiter tragisch. Wir brauchen nur etwas Geduld, denn das Wasser kommt ja wieder.
Mit der Geduld von Thomas scheint es aber nicht so gut bestellt zu sein. Er ist ganz zappelig. Und dann kommt es: ‚Ich nehme mal eben das Dingi und fahre rüber zur Walkabout.‘ Wiedersehensfreude von Boot und Skipper und nicht zu bremsen.
Also Dingi zu Wasser lassen und schon ist Thomas weg. Da wir nun einmal warten müssen, kann ich auch unten in der Bilge schauen, was da los ist. Dabei verliere ich das Zeitgefühl und irgendwann steht Thomas wieder an Deck ‚merkst du gar nicht das die Amiga sich gedreht hat und im Fluss treibt?‘ Nein, habe ich nicht gemerkt.
Also starten wir wieder die Maschine. Zum richtig fahren haben wir immer noch nicht genug Wasser, aber der Schlick im Fluss ist so weich, dass wir bis zum tieferen Wasser rutschen können. Nun noch geduldig warten, bis die Brücke aufmacht. Das geht nicht so schnell, wie gewohnt, weil dort Wartungsarbeiten durchgeführt werden.
Und endlich die letzten Meter bis ins Town Basin, wo wir auch schon erwartet werden. Hilfreiche Hände, die beim Festmachen am Steg unterstützen, und dann ist es wirklich geschafft.
Es ist so schön wieder hier in Whangarei zu sein. Im Town Basin. „It’s like coming home“.
Da ich nun schon zweimal die Cyclon Season in Neuseeland verbracht habe, kenne ich mich hier aus, weiß wo ich was bekomme oder zumindest, wen ich fragen kann. Fast alles ist gut zu Fuß erreichbar – der große Supermarkt in nur fünf Minuten, Segelmacher, Bootsbedarf und was das Seglerherz begehren mag.
Meine Wunsch- und Bedarfsliste ist lang. Die großen Blöcke sind Motor, Fenster, Elektrik und Anstrich. Ich bin gespannt, was am Ende der Zeit, also wenn ich Neuseeland wieder verlasse, davon erledigt ist. Jetzt ist Frühling hier und heißt es nicht, im Frühling wird alles neu?
Gleich am ersten Tag begebe ich mich auf die ersten Streifzüge. Mein Wassertank ist innen immer noch nicht sauber. Unterwegs war durch die ständige Bootswegung wohl alles aufgewühlt worden und das Trinkwasser immer etwas bräunlich. Nicht so besonders nett. Hier will ich erst einmal Abhilfe schaffen, indem ich einen Trinkwasserfilter einbaue. Am Ende des Tages sind es dann sogar zwei Filter. Ein Grobfilter, ein Feinfilter und zudem wird der Tank mit einer speziellen Chemiekalie keimfrei gemacht. Man schmeckt nicht einmal mehr die Chlorbeigabe des Stadtwassers heraus und der Tee morgens ist jetzt wirklich genießbar.
Es steht noch vieles auf dem Zettel, der immer auf meinem Kartentisch liegt und der ständig ergänzt wird. Wenn ich einen Punkt darauf streichen kann, freue ich mich immer riesig, auch wenn dann gleichzeitig drei weitere wieder hinzukommen. Und manchmal ist auch etwas erledigt und nach drei Tagen stellt es sich heraus, es ist noch nicht gut genug, funktioniert so nicht oder muss noch einmal neu gemacht werden. Dann war es doch noch nicht wirklich erledigt und es steht wieder auf dem Zettel.
Außerdem möchte ich auch neben all diesen anstehenden Arbeiten segeln und den neuseeländischen Frühling genießen, wozu auch der tägliche Genuss von grünem Spargel mit Butter und fein geriebenem Parmesan gehört.
Bevor es am 20. November mit einem Mitsegler, der aus Deutschland anreist, hinaus aus der Marina geht, wird jedoch noch einiges getan, erledigt und organisiert, wie beispielsweise ein Termin für eine Motorinspektion vereinbart.
Aus irgendeinem Grund spielen alle Pumpen (für Bilge, Wasser und Kühlschrank) verrückt und treiben mich schier in den Wahnsinn, da es auch mit einer schlichten Erneuerung der Pumpen nicht getan ist. Die eine Neue funktioniert gar nicht, die andere ist zu laut. Dann stellt sich heraus, die Wasserpumpe ist eigentlich in Ordnung, aber die Außendusche ist undicht. Darauf muss man erst einmal kommen. Bis dann irgendwann alles wieder funktioniert, habe ich auch mittlerweile alle anderen Segler in der Marina ebenfalls mit meinem Pumpen-Problem und meinem Frust verrückt gemacht, so dass wohl alle froh sind, als ich mein Thema dann schließlich einigermaßen im Griff habe.
Bei sonnigem Wetter verlassen wir mittags das Townbasin mit Ziel Urquardsbay. Wir laufen unter Motor und da Werner steuert, habe ich das Gefühl, erst einmal entspannt durchatmen zu können. Amiga hat vorn im Bug eine neue 100m lange Ankerkette, die jetzt passend zur Nuss der Ankerwinsch ist und nicht mehr überspringt. Die Winschen sind gewartet. Das alte nicht mehr verwendete Antennenkabel zwischen Masten ist entsorgt. Der Ölfilter erneuert und ein Ölwechsel gemacht. Eine gebrochene Kupferdieselleitung ist erneuert. Der zweite Tank eine weiteres Mal wieder gängig gemacht worden. Es gibt einen neuen Bordwasserschlauch. Die Dusche hat einen neuen Anschluss bekommen. Diverse weitere Kleinigkeiten sind erledigt. Ich habe ein gutes Gefühl, was die Amiga betrifft. Seit ich sie gekauft habe, ist schon vieles verändert worden und sie gibt mir das Gefühl, bei ihr gut aufgehoben zu sein.
Zeit für die wirklich wichtigen Dinge: unterwegs sein, segeln, das Land erkunden, die Natur genießen und sich wieder den Wind um die Nase wehen zu lassen. So sehr ich mich gefreut habe, in Whangarei zu sein, das soziale Leben mit befreundeten Seglern in der Marina zu erleben mit gemeinsamen Abenden bei Bier, Wein und gutem Essen, so sehr freue ich mich wieder unterwegs zu sein. Es ist ist wie ein aufatmen. Den Weg der Freiheit spüren. Das Meer hat mir gefehlt. Irgendwo vor Anker zu liegen und sich auf den nächsten Tag freuen, wo es hinaus auf den Ozean geht.
Wir nutzen in der Urquardsbay das schöne Nachmittagswetter für einen Landgang. Obwohl ich schon etliche Male hier vor Anker gelegen habe, ist es das erste Mal. Über eine Rinderweide führt der Weg um den Busby Head herum, vorbei an einem Bunker aus dem zweiten Weltkrieg. Der Blick geht in die Ferne den Fluss hinauf wo hinter den Hügeln irgendwo Whangarei liegt. Weniger reizvoll ist der Blick auf Marsden Cove mit der großen Raffinerie und dem Holzverlade-Terminal auf der gegenüberliegenden Seite der Flussmündung. Der Wanderpfad führt weiter über Klippen und durch eine üppig bewachsene Natur, die stellenweise einem Dschungel anmutet. Zarte Blüten des Frühlings und kräftiges immergrün. Das Klima hier ist subtropisch, so dass man sich hier und dort auch über Palmen nicht wundert. Wunderschöne alte Bäume mit starken ausladenden Ästen stehen am Weg. Vögel geben in dieser ansprechenden Landschaft hoch über dem Pazifik ein Konzert vermischt mit dem Rauschen des Meeres, wenn es weiter unten an die Felsen brandet. Es geht bergauf und bergab auf einem gepflegten Weg, bis wir auf der anderen Seite des Busby Heads an den weißen Strand der Smugglers Bay kommen. Bei ruhigen Wetter könnte man hier sogar direkt vor dem Strand vor Anker gehen.
Wir trödeln unter Motor laufend, da der Wind zum Segeln nicht ausreicht, die nächsten Tage die Küste Richtung Bay of Islands hinauf. Unser nächstes Ziel ist Tutukaka, wo wir nach unserer Ankunft um die Bucht herum bis fast zum Leuchtturm wandern. Den Aufstieg dorthin schenken wir uns, da wir auch so eine wunderbare Aussicht auf die Küste und den blauen Pazifik erleben können.
Die Amiga ist nicht allein unterwegs. Die Pacifico ist uns schon voraus auf dem Weg in die Bay of Islands zum Treffpunkt in der Paradise Bay von Urupukapuka Island und die befreundeten Segler mit der Walkabout und Tystie sind hinter uns jetzt ebenfalls mit diesem Ziel gestartet.
Unser nächster Zwischenstopp ist Whangamumu mit den denkmalgschützten Resten einer seinerzeit wichtigen Walfangstation. Spät Abends trifft auch die Walkabout hier ein und geht etwas weiter draußen vor Anker. Doch der Pazifikschwell hat ja tagsüber etwas nachgelassen, so dass sie dort wohl nicht so schaukelig liegen. Die Tystie ist umgekehrt, weil der Wind zum Segeln nicht ausreicht und die Walkabouts sind ausnahmsweise einmal die ganze Strecke motort. Der Grund hierfür ist, dass wir doch Fraukes Geburtstag gemeinsam feiern wollen. So habe ich am nächsten Morgen gleich früh schon die Gelegenheit zum gratulieren.
Da hatte doch jemand geschrieben, er wartet auf uns in der Paradise Bay und dann liegt er doch in der Nachbarbucht. Aber es gibt ja AIS und so viele Boote jetzt auch noch nicht unterwegs.
So trudeln wir nacheinander alle in der Otaio Bay ein und abends wir gemeinsam auf der Amiga gefeiert.
Es ist schön, diese Zeit, die wir noch einmal gemeinsam haben. Bald werden Thomas und Frauke wieder unterwegs sein. Die ‚alte‘ Walkabout steht bereits zum Verkauf und die ’neue‘ Walkabout wartet schon in Portugal. Wer weiß wann und wo wir uns dann Wiedersehen?
Wir segeln weiter nach Pahia, gehen bei Waitangi an Land. Eine Wanderung führt fünf Kilometer am Fluss entlang bis zu den Haruru Falls. So ist das, wenn man jemanden dabei hat, der ständig im Fremdenführer schmökert und schaut was es alles zu sehen und zu erleben gibt. An meinen Sandalen lösen sich langsam die Sohlen und ich bin gespannt, wie lange sie es noch mitmachen. Aber natürlich lohnt sich der Weg, ist wunderschön und eigentlich nicht wirklich lang. Wieder zurück am Ausgangspunkt stehen wir vor dem Waitangi Museum. Der Eintritt schreckt ab durch einen Preis von 40 NZD pro Person. Kiwis zahlen die Hälfte. Geschenkt. Dann lieber ein leckeres Sandwich nebenan im Café. Das große Kanu der Maoris kann ich auch noch einmal am Waitangi Day im Februar kostenlos besichtigen. Da ist der Zugang hier nämlich kostenfrei.
Der Fremdenführer sieht noch einen Besuch in Russel vor. Für mich Gegelegenheit ein paar Einköufe zu erledigen. Und auch Robertson Island ist einen Besuch wert.
Weiter geht es Richtung Kerikeri. Wir erkunden die Buchten nördlich davon und bleiben dort über Nacht vor Anker. Für den nächsten Tag haben wir den Plan den Fluss mit der Pacifico hinauf zum Stonehouse zu fahren.
Im letzten Sommer hatte ich an einem Nachtmittag das Stonehouse von Kerikeri besucht, dem ersten mit Steinen gebauten Haus Neuseelands. Mir hat es besonders der dort untergebrachte Laden angetan, in dem es so wunderbare Dinge zu kaufen gibt, die an die eigene Kindheit erinnern. Fahrradflickzeug in einer Blechdose, Holzwäscheklammern, Bambus-Teppichklopfer. Es gibt tausend Dinge zu sehen und natürlich auch zu kaufen. Für mich ein Erlebnis, dass mein Herz einfach höher schlagen lässt, weil es so etwas noch gibt.
Und ich hatte im vergangenen Sommer gesehen, dass ein Segelboot vor dem Stonehouse im Fluss vor Anker lag. Also muss es irgendwie möglich sein, hierher zu fahren.
Mit der Pacifico deshalb, weil sie weniger Tiefgang hat als die Amiga. Hermann studiert die Karte, schaut immer wieder auf die Tidentabelle und gleicht es mit den Tiefenangaben auf der Karte ab. Er entscheidet, dass wir zwei Stunden vor Hochwasser losfahren. Sollten wir dann irgendwo festsitzen, haben wir die Möglichkeit wieder frei zu kommen und gegebenfalls zurück zu fahren.
Auskünfte, ob es wohl überhaupt möglich ist, wollen wir zudem vorher von Einheimischen einholen. Also fahren wir zunächst zur Marina in der Flussmündung, in der Hoffnung, jemand wird uns Auskunft geben, ob es wirklich möglich ist, so wie wir es uns denken, den Fluss hinauf zu fahren.
Das erste Boot, dass uns entgegenkommt, ignoriert unser Winken oder hält es für einen lediglich freundlichen Gruß. Als an der Pacifico auch das nächste Motorboot mit einer Gruppe von Männern an Bord vorbei fährt und auf sein Winken nicht reagiert, denke ich: ‚dass funktioniert so nicht! Mal schauen ob sie auf das Rufen und Winken einer Frau eher reagieren‘. Klappt. Wenig später haben wir die gewünschten Auskünfte. Wir gehen vor der Marina vor Anker und haben noch Zeit für einen Landgang. Vielleicht bekommen wir in einem Café noch einen leckeren Latte? Gut belegte Marina, viele Häuser rundherum, aber weder Laden noch Café, noch Imbissbude oder irgend etwas in dieser Richtung. Nun, ein bisschen Bewegung schadet uns ja nicht. Wir gehen auf der Straße den Berg hinauf, von wo wir dann eine gute Aussicht auf die Bay of Islands haben, schauen uns um und freuen uns über das sonnige Wetter. Bevor wir langsam an Bord der Pacifco gehen, noch ein Rundgang durch die Marina. Zwei Männer arbeiten an dem Rumpf eines Bootes, dass an Land vor einem Bootsschupoen in der Nähe der Rampe steht. Hermann schaut sich näher an, was denn die beiden älteren Herren da so arbeiten. Ohne hochzuschauen sagt der eine von ihnen plötzlich „wenn du da noch länger stehst und guckst, hast du einen Job!!!“. Im ersten Moment ist Hermann irritiert, doch dann können wir uns vor lauter Lachen kaum halten.
Es entwickelt sich ein nettes Gespräch mit den Beiden und natürlich fragen wir auch sie, ob es mit der Fahrt den Fluss herauf funktionieren wird. „Kommt darauf an, wieviel Tiefgang ihr habt.“ Die 1,50 m der Pacifico werden diskutiert und für zu viel befunden. Sie wären beide schon häufiger mit einem Boot mit weniger Tiefgang den Fluss hinauf gefahren. Doch am Ende wünschen Sie uns viel Glück und viel Spaß.
Dann ist soweit und wir machen uns auf den Weg. Das erste Stück ist einfach. Dann steuern wir die erste Tonne an, die den Weg den Fluss hinauf markiert. Wir fahren genau nach Karte, immer einen Blick auf den Tiefenmesser. Es ist ein spannendes Abenteuer, dass uns durch eine wunderbar grüne Landschaft führt, vorbei an Boots- und Ferienhäusern, die wie herrschaftliche Villen das Flussufer säumen. Das weitflächige Flussdelta wird zu einem immer schmaler werdenden Fluss. Auf unserem Weg liegen andere Boote vor Anker, an Moorings oder Piles. Vom Catamaran bis zum kleinen Motorboot und Hausboot ist wohl alles dabei. Nachdem wir den in der Karte als flachste Stelle bezeichneten Punkt passiert haben, lässt die Anspannung etwas nach. Doch dann fehlt ein Seezeichen. Jetzt nur trotzdem den richtigen Weg finden. Und später gibt es ein anderes Seezeichen, dass aber gar nicht eingezeichnet ist. Langsam arbeiten wir uns den Fluss hinauf. Diese Fahrt ist ein absolutes Erlebnis. Mit der Amiga hätte ich mich wegen dem größeren Tiefgang jedoch nicht getraut. Hier erweist sich der geringe 1,50 m Tiefgang der Pacifico, wie schon so oft, als absolutes Plus. Der Fluss schlängelt sich in etlichen engen Windungen durch die neuseeländische Landschaft. Nach einer letzten Biegung taucht das Stonehouse vor uns auf. Hier wird der Fluss jetzt schnell zu flach, um weiter zu fahren. In Kaskaden fließt das Wasser von der höher gelegenen Landschaft neben dem Stonehouse unter einer Brücke hindurch in das Becken, in dem wir jetzt mit der Pacifico an zwei Piles festmachen.
Wir haben das Amiga-Dingi im Schlepp gehabt und ich steige ins Dingi um, um die Leinen zu vertäuen. Mit einem Mal läuft der Motor nicht mehr, lässt sich nicht mehr starten, und der Aussenborder lässt sich auch nicht kippen. ‚Mist!!!‘ denke ich und setze gedanklich ein weiteres To-do auf meine Arbeitsliste. Nun, es gibt Dinge, die sollte man einfach unter Erfahrung verbuchen. Das Anbindetau des Dingis war ins Wasser gerutscht und hatte sich heimlich, still und leise um den Proller des Aussenborders gewickelt und damit alles blockiert. Nachdem der Schaden behoben war, ist die Leine jetzt etwas kürzer, ich um eine Erfahrung reicher, die Welt wieder in Ordnung und Pacifico sicher für unseren Aufenthalt hier an den Piles vertäut.
Einen paar Stunden später machen wir uns mit ablaufender Tide auf den Rückweg. Jetzt kann Hermann einfach dem Track folgen, den der Chartplotter aufgezeichnet hat. Irgendwie ist dann die Rückfahrt auch viel schneller, als unser Zeitgefühl für die Dauer der der Fahrt gerechnet hat. Aber so ist es ja immer. Dann sind wir auch schon wieder an Bord der Amiga und auf dem Weg zu einem Ankerplatz für die Nacht.
Das nächste Ziel ist Whangaroa Habour etwa 30 Meilen nördlich der Bay of Islands. Dieser natürliche Hafen im Norden von Neuseeland gehört zu den Plätzen, an denen ich am liebsten bin und wohin ich immer gerne zurückkehre, seit dem ich das erste Mal hier war. Für Werner gibt es eine Rundfahrt durch die Fjordlandschaft mit ihren unzähligen Möglichkeiten vor Anker zu gehen. Irgendwann war Whangaroa Habour wohl auch einmal Port of Entry, bevor es dann Opua wurde, denke ich. Die Pacifico liegt schon an unserem angestammten Ankerplatz, als sich die Amiga dann dazu gesellt. Sehr viel Platz ist nicht in der kleinen Bucht, aber die beiden Boote haben nicht wirklich Berührungsängste. Doch da gibt es einen kurzen Moment, als die Amiga im Wind und die Pacifico in der Strömung liegt, wo wir kurzfristig dann doch aufmerken und die Pacifico etwas Ankerkette einzieht. Sicherheitshalber.
Die Sonnenauf- und -untergänge empfinde ich hier immer als ganz besonders. Das Licht ist fantastisch. In der Windstille wird die Wasseroberfläche spiegelblank, leichte Dunstwolken hängen um die Bergkuppen oder verbergen sie sogar ganz, während das Licht der aufgehenden Sonne den Fjord mit einem rotgoldenen Zauber aufleuchten lässt. Ein Anblick, den man sie müde wird, und eines der vielen besonderen Erlebnisse, wenn man auf einem Segelboot wohnt und an Orte kommt, die man sonst nicht erreichen würde.
Es wird Zeit an die Rückfahrt nach Whangarei zu denken. Wir kehren zurück in die Bay of Islands. Kurz vor erreichen von Urupukapuka Island begleiten uns Delphine eine Stück des Weges. Die großen Tiere tauchen plötzlich hinter uns auf, sind neben uns, vor uns. Und wie immer, wenn ich solchen Tieren begegne, vermitteln Sie mir ein Gefühl der Lebensfreude und Leichtigkeit. Auch das ist etwas, dass mir nie langweilig wird: eine Begenung mit Delphinen. Es ist immer wieder toll.
Die Pacifico liegt schon vor Anker, als wir in die Bucht einlaufen. Sie ist einfach schneller als die Amiga. Da gibt es nichts dran zu drehen. Fast 6 to Gewichtsunterschied machen sich gerade bei leichten Winden bemerkbar und wenn es noch weniger Wind ist, hilft für ein vorankommen eben nur der Motor oder warten, dass Wind kommt.
Über einen weiteren Zwischenstopp in Tutukaka geht es wieder den Fluss hinauf nach Whangarei.
Da noch etwas Zeit ist, bevor Werner zurück nach Deutschland fliegen wird, planen wir noch einen Tag mit einem Mietwagen einen Ausflug zu machen. Es geht Richtung Norden. Überall in der Landschaft blühen wilde Blumen, am Wegrand die Schmucklilien und Bäume, die in dichter weißer, roter oder fliederfarbener Blüte stehen. Und alle verströmen sie einen blumigen reinen Duft, den ich schon im Vojahr auf unserer Rundreise über die Nordinsel wahrgenommen hatte. Ich sehe nicht nur, dass es Frühling ist, sondern auch jeder Atemzug erfüllt mich mit diesem belebenden Frühlingsduft.
Der erste Halt in Kawakawa gilt dem Besuch der von Hundertwasser erbauten öffentlichen Toilette. Wäre dieses Kulturdenkmal nicht, würde der Ort wohl nicht mehr als ein verschlafenes Städtchen sein, kaum mehr als ein paar Häuser an einer Durchgangsstraße. Doch so werden hier haufenweise Touristen hergekarrt, die aus den großen Reisenbussen fließen, nur um wenig später wieder von Ihnen verschluckt zu werden, bereit das nächste Ausflugsziel anzusteuern.
Wir besichtigen also die berühmte Hundertwasser-Toilette, machen brav unsere Fotos und ergattern noch einen freien Tisch in einem der umliegenden Cafés. Frisch gestärkt geht es dann weiter nach Norden an der Küste entlang. Nördlich von Whangaroa halten wir an, um nach geeigneten Ankerplätzen Ausschau zu halten. Doch hier wir es immer schwieriger einen vor allem bei Ost- oder Nordwinden geschützten Platz zu finden. Wir merken uns das für die Zukunft vor und dass man bei den Kiwis noch einmal genauer nachfragen muss, bevor man vielleicht wirklich einmal hierher kommt.
Im Norden, war es Awanui?, hatten wir 15 kg Honig bestellt, der zwischenzeitlich nach Whangarei geliefert worden ist. Hermann hatte einen netten Kontakt mit der Dame, der über einen einen Freund von ihm hergestellt worden war. Heute nun wollen wir uns für die kostenlose, prompte Lieferung bedanken. Als Dankeschön hat Hermann ein „German Bread“ gebacken, indem auch schon der neue Honig verarbeitet wurde. Der Empfang in dem kleinen Laden ist recht herzlich. Wir bekommen Gelegenheit „hinter die Türen“ zu schauen. Hier wird der Honig angeliefert in Bienenkästen, geschleudert und verarbeitet. Kein Honig ist wie der andere. Und der Honig, der im Laden so besonders lecker schmeckt, ist dann leider auch schon ausverkauft. Zum Abschied bekommen wir zum Trost das fast volle Probierglas geschenkt und sollten wir uns das nächste Mal sehen, müsste doch unbedingt Zeit für ein gemeinsames Abendsessen sein. Würden wir in Europa auch so etwas mit den Menschen erleben?
Ein Abstecher noch zum 90-Miles-Beach bevor es auf der ‚1‘ wieder Richtung Whangarei geht. Ein Zwischenstopp noch in einer Bäckerei/Restaurant/Imbiss. Für wenig Geld bekommen wir hier ein überraschend gutes Essen vorgesetzt. Dann geht es weiter Richtung Süden, bis wir durch ein Schlagloch/über einen Stein? oder was immer fahren. Jedenfalls merkt Hermann als Fahrer gleich, dass etwas nicht stimmt. Und richtig. Ein Reifen des relativ neuen Wagens ist platt. Unsere Freude darüber hält sich in Grenzen. Doch was so erfahrene Männer sind…. Unter den neugierigen Blicken der auf der Weide stehenden Rinder wird der Reifenwechsel angegangen. Eine junge Frau auf einem Quad kommt herangefahren und fragt, ob wir Hilfe benötigen. ‚Nein. Alles gut‘. Fünfzehn Minuten später sind wir schon wieder unterwegs. Ärgerlich ist nur, das die Kosten für einen neuen Reifen nicht von der Vollkaskoversicherung abgedeckt werden.
Und dann sind die dreieinhalb Wochen, die Werner in Neuseeland an Bord der Amiga verbracht hat, auch schon um. Der Bus bringt ihn zurück nach Auckland, von wo der Flieger ihn zurück ins kalte und nasse Deutschland bringt.
Ich nutze die paar Tage hier im Town Basin erneut für anstehende Arbeiten. Die alte Ankerkette auf der Amiga hat während der letzten Wochen noch auf der Pacifico Dienst getan. Hermann lässt die Pacifico-Kette neu verzinken und wäre sonst in der Marina während dieser Zeit angebunden gewesen. Nun geht sie zum Second-Hand-Ship-Chandler und ich bekomme noch etwas Geld dafür. Ebenso die schweren Goiot Winschen der Fallen von Mast und Besan-Mast werden demontiert und dort verkauft inclusive der Stahlseile, die als Fallen gedient haben. Zwei Anker hatte ich ebenfalls schon dort hingebracht, da beide für die Amiga ohnehin zu leicht waren. Und die zweite der jeweils überflüssigen Lewmar Winschen, baue ich im Cockpit ebenfalls ab und verkaufe sie an diesen Händler. So bekomme Platz, habe weniger Gewicht an Bord und bekomme sogar noch etwas Geld für die gebrauchten Sachen. Für die Fallen werden neue Winschen angebaut und passende Taue eingezogen. Dass ist mir einfach viel angenehmer als die Stahlseile, an denen man sich schnell mal die Finger an der einen oder andern Schadstelle aufreißen konnte.
Die Motorinspektion steht an und ich dränge auf Termineinhaltung. Damon heißt der junge Mann, der dann am Freitag vir der Amiga steht. Wir gleichen meine Wünsche mit seinem schriftlichen Auftrag noch einmal ab und dann geht es los. Für mich ist wichtig zu sehen, was er wie macht und dass er es mir auch erklärt. Es könnte ja sein, dass ich es nächstes Mal selbst machen muss. Begeistert ist er dann von meiner Reparatur der gebrochenen Dieselleitung. Danach genieße ich in seinen Augen doch etwas mehr Respekt und seine Erklärungen werden deutlich ernsthafter und detaillierter. Ich weiß immer noch nicht, wie alles richtig heißt. Doch ich denke es sind Einspritzdüsen? die er ausbaut hat und die zur Wartung weggegeben werden. Aber ich weiß, wie sie aussehen, welche Funktion sie haben und wie sie ein- und ausgebaut werden. Da sind Namen doch Schall und Rauch. Ich reinige den Luftansaugstutzen, ein Metallsieb, und wundere mich, wie da noch etwas durchkommen könnte. Meine Hände brauchen trotz Handschuh Tage bis sie diese Russ-Öl- Geschmiere wieder los sind. Dabei fällt mir, mangels Ausbildungsplätzen auf der Insel, hätte ich einmal überlegt, ob ich nicht Kfz-Mechaniker werden wollte. Meine Mutter war damals strikt dagegen, weil ich dann immer schmutzige Fingernägel hätte. Was sie wohl heute zu meinen Fingernägeln sagen würde?
Über den Überlauf der Kühlflüssigkeit wird nach Damons Hinweisen ein Behälter installiert, der bei Überdruck die austretende Kühlflüssigkeit auffängt.
Das Getriebeöl muss gewechselt werden. Etwas, dass ich anfangs einmal kontrolliert hatte und dann aus dem Blick verloren habe.
Unter dem zweiten Tank tausche ich das Verbindungs-Winkelröhrchen zur Dieselleitung gegen eine gerade Verbindung, damit der Schmutz nicht an dieser fragilen Stelle hängenbleibt, sondern dann eben bis zum Filter kommend, sich dort ablagern kann. Ich hoffe, dass es dadurch störungsfreier im Betrieb sein wird.
Die Motorkompression wird gemessen. Das Ergebnis ist gleichmäßig und entspricht dem Alter der Maschine. Heißt es könnte besser sein, ist aber ok. Eine neue Zylinderkopfdichtung oder ähnliches ist nicht erforderlich.
Eine der beiden Lichtmaschinen wackelt ziemlich in der Halterung und Damon weißt mich darauf hin, dass das nicht richtig sein kann.
Später in der Bay of Islands werde ich herausfinden, dass hier eine Gewindestange durchgebrochen ist und die defekte Stange durch einen neuen Bolzen ersetzen.
Nachdem alles soweit gut ist, ich viel dazu gelernt habe, reinige ich den Motor noch so gut es geht und sprühe neue Farbe auf die Stellen, wo die alte Farbe abgeplatzt ist. Nun ist er Motor nicht nur in Ordnung, sondern sieht auch wieder schick aus.
Inzwischen sind auch wieder die Walkabouts aus der Bay of Islands und die Green Duck, zurück vom Hardstand, im Town Basin eingetroffen. Und bevor ich jetzt wieder aus der Marina raus und Richtung Bay of Islands fahre, gibt es noch einmal ein tollen Pizza-Abend deutscher Boote auf der Amiga.
Die Zeit in der Marina wird immer gut genutzt. Doch weder die Amiga noch die Pacifico planen hier zulange Aufenthalte. So sind wir am Donnerstag, den 14.12. schon wieder unterwegs über Urquardsbay und Whangamumu in die Bay of Islands.
Ein Besuch einer ehemaligen Arbeitskollegin aus Deutschland ist das, worauf ich mich schon freue. Jutta hat meine kurzfristige Einladung angenommen und in ihre Neuseelandrundreise einer Besuch auf der Amiga mit eingeplant. Ich freue mich besonders auch deshalb, weil ich ja nun dieses Jahr zu Weihnachten nicht in Kiel bin. So ist wenigstens etwas aus Kiel dann hier.
Die Freude über das Wiedersehen in Opua ist dann auch groß. Und Jutta kommt auch nicht allein. Das wusste ich aus unserem Kontakt allerdings schon vorher. Da stand ja immer „wir“. Ich hatte mir darüber Gedanken gemacht, aber nicht nachgefragt. Von einer Freundin hieß es dann ‚Jutta hat einen neuen Lebensgefährten‘. Fein, habe ich gedacht und das ist wunderbar. Nun steht mir ein Mann gegenüber, der mir seltsam bekannt vorkommt. Die Augen habe ich schon einmal gesehen. Auf dem Weg zum Boot will mir dann aber nicht einfallen wo ich diese Augen schon einmal gesehen hatte. Ich grüble nicht weiter, wir gehen an Bord. Zur Begrüßung gibt es erst einmal Kaffee und Kekse. Die beiden lassen sich in ihrer Kabine häuslich nieder. Und dann fällt es mir doch tatsächlich wieder, mit kleiner Unterstützung, ein und wie Schuppen von den Augen. Auch ein ehemaliger Kollege, den ich dann aber nur als freiberuflichen Mitarbeiter kennen gelernt hatte. Die beiden kennen sich schon seit über 40 Jahren und haben sich jetzt gefunden. Ist das nicht wirklich wunderbar?
Wir verbringen einen wunderschönen gemeinsamen Abend und lassen uns auch nicht davon beirren, dass der Wind seit mittags ständig zugenommen hat und es am Ankerplatz ordentlich pfeift. Am nächsten Tag geht es raus in die Bay of Islands zur Robertson Island. Als wir vor Anker gehen, sind wir dort fast allein. Keine anderen Boote außer zwei kleinen Motorbooten am Strand. Und wenn Engel reisen spielt auch das Wetter mit. Der Wind schläft völlig ein und wir haben strahlend blauen Himmel und Sonnenschein. Oben von der Aussichtsplattform haben wir einen wunderbaren Blick über die gesamte Bay of Islands und sehen dann auch die Pacifico, die zum vereinbarten Treffen ankommt. Hermann berichtet später, dass ein ankern hier vor wenigen Stunden noch gar nicht möglich war.
Es ist ein wunderschöner Tag der viel zu schnell zu Ende ist, als ich die beiden dann am späten Nachmittag zurück nach Opua bringe.
Ich wünsche beiden noch eine wunderschöne Zeit in Neuseeland und ihr seid jederzeit herzlich willkommen an Bord der Amiga.