Segeln in Australien. Die Route: rund 1.300 nm von Cairns innerhalb des Great Barrier Reefs durch die Torrestrasse nach Darwin.Die Amiga steht währenddessen sicher auf dem Trockenen in Vuda, Fiji, im Cyclon-Pit. Rund vier Wochen, dann werde ich wieder zu Hause an Bord sein.
Doch nun folge ich erst einmal der Einladung von Wyn auf die SV Leia-B. Auf mich warten ganz neue Erfahrungen. Vom Mono zum Multi-Hull. Ich habe da ja so meine Bedenken, ob ich mit dieser Umstellung bootstechnisch zurecht komme. In Vuda habe ich mir erst einmal angeschaut, wo bei den verschiedenen Catamaranen denn die Schoten und Fallen laufen und von wo aus sie bedient werden. Wie verhält sich ein Cat unter Segeln? Ich habe bei anderen Seglern nachgefragt, die meine Unwissenheit sicherlich etwas nachvollziehen können. Wie bewegt sich das Boot bei Seegang? In Samoa, wo wir uns kennen gelernt haben, hatte ich selbst in der Marina schon das Gefühl gehabt, plötzlich auf einer Eisfläche zu stehen. Ich sehe mich schon seekrank, wobei das in diesem Fall wohl reine Kopfsache sein wird.
Die beiden Motoren haben einen Saildrive. Ich vergesse immer wieder, was das technisch bedeutet. Anderseits habe ich mich mit den Yanmar Motoren ja schon in Samoa angefreundet. Dadurch wirkt es in dieser Hinsicht dann schon etwas vetrauter auf mich.
Und ganz blöde Frage: „kann ein Cat geradeaus fahren, wenn nur eine Maschine läuft???!!!“ In meinem Kopf läuft das Boot dann quer oder sogar im Kreis.
Es gibt für mich also die nächsten Wochen einiges zu erfahren und zu lernen. Wobei ich mehr als unsicher und skeptisch in Hinsicht auf diesen Seitensprung auf ein anderes Boot bin. Klar weiß ich, was ein Spinnaker ist, auch wenn es an Bord der Amiga keinen gibt. Doch was bitte schön ist ein Code „0“, von dem ich jetzt schon mehrfach in Wyns Mails gelesen habe?!!!
Ich fliege also nach Cairns, Australien, wo die Leia-B und Wyn mich erwarten. Vom Skipper und Captain zurück zum Crewmitglied. Wie das wohl sein wird? Nicht, dass ich irgendwie aufgeregt bin. Neiiiinnnnn.
Etwas entspannter bin ich dann, als ich sehe, dass Wyn am Flughafen auf mich wartet und mich willkommen heißt. Wir haben noch Zeit für einen Kaffee und einen Imbiss, bevor der Bus uns vom Airport zur Marina bringt. So erfahre ich schon einmal ein bisschen, was Wyn seit seiner Ankunft hier erlebt hat, wie es mit der Marina und den Gegebenheiten hier vor Ort ist. Er erzählt auch von seinem Nachbarn am Ankerplatz, der sehr nett sein soll. Ich stolpere über den Namen dieses Nachbarn: „Ruben“. Doch der Name des Bootes sagt mir nichts, was jedoch bei meinem Namengedächtnis ist nicht unbedingt etwas heißen will. Nachdem was Wyn erzählt, könnte es der Ruben sein, den ich in Nei’afu, Tonga, kennengelernt habe und den kurze Zeit später die Pacifico in Savusavu, Fiji, getroffen hat. Na, da bin ich ja mal gespannt. Sailors Family.
Nach der Green Duck ist die Leia-B jetzt eigentlich erst der zweite Catamaran , den ich nun von Innen sehe. Soviel Raum. Wie Wyn sagt, eher ein schwimmendes Appartement als ein Segelboot, als er meine skeptischen Blicke wahrnimmt. Aber der Rundumblick aus dem Salon ist schon toll. Das „U“ der Kombüse verspricht guten Halt auch bei Seegang (nicht das ich mir jetzt plötzlich zutraue unterwegs zu kochen) und mit freiem Blick aufs Meer. Eigentlich richtig schön. Einen Navi-Tisch scheint es nicht zu geben, nur eine etwas breitere Arbeitsfläche. Hat natürlich den Vorteil, das diese Fläche nicht innerhalb kurzer Zeit zum Sammelplatz von allem Möglichen wird, wie auf der Amiga und der Pacifico, also „a mess“!!! Ob aus diesem englischen Wort das Wort „Messie“ abgeleitet ist? Das würde richtig passen.
Die Leia-B ist blitzsauber und gepflegt. Neid. So sollte die Amiga mal aussehen. Doch dafür fehlt mir einfach die Zeit, will ich nicht nur noch Bootspflege betreiben.
Am meinem ersten Tag nach der Ankunft geht es zunächst in die Stadt mit einem kurzen Zwischenstopp beim Bootsnachbarn Ruben. Und er ist es tatsächlich der Segler, den ich in Tonga kennen gelernt habe. Er schaut etwas verwundert, als er mich hier sieht. Ohne die Amiga. Wir verabreden für später zum Sundowner, um unsere Bekanntschaft aufzufrischen und zu erzählen, was wir inzwischen erlebt haben.
In der Stadt benötige ich zunächst eine Sim-Karte und Internet, dann Einkaufen für das Abendessen. Wyn klärt ab, dass wir für einen Tag einen Platz in der Marina bekommen. Tanken, Verproviantierung, Wasser auffüllen, Wäsche waschen, noch einmal Bootswäsche vor der Abfahrt, und das wichtigste: Wyn hat noch Arbeiten im Mast zu erledigen. Das alles ist natürlich viel leichter in der Marina zu erledigen, als von einem Ankerplatz aus.
Diese Geschichte mit dem Mast wird dann noch richtig lustig.
Während Wyn gut vorbereitet den Mast hinauf klettert, sichere ich ihn unten am Mastfuß mit zwei Fallen. Die zweite Fall nur zur Sicherheit. Als wir starten, weiß ich schon, dass ich mich erst wieder gut fühlen werde, wenn ich keinen Fehler gemacht habe und er sicher wieder unten neben mit steht. Es fühlt sich alles fremd an. Die senkrecht am Mast angebrachten Winschen, die Winschkurbeln, die nicht einrasten, so wie auf der Amiga, und die man gleich wieder in der Hand hat, wenn man nicht aufpasst. Und Maststufen, wie auf der Amiga, gibt es ebenfalls nicht.
Also auf geht es. Beide sind wir etwas angespannt. Wyn ob der zu erledigen Arbeiten und das es auch so funktionieren wird, wie er es sich vorstellt, und ich, ihn auch heil wieder den Mast herunter zu bringen.
Er sagt mir, bei welchem Kommando ich an dem Grossfall ziehen soll und wann ich die zweite, also die Sicherheitsleine nachziehen soll und schon steht er auf dem Baum und macht sich auf den Weg nach oben.
Auf Kommando ziehe ich am Grossfall, dass ich dreimal um die Winsch gewickelt habe. Sichern nach drei, viermal Kommando. Die Kurbel brauche ich dafür natürlich nicht. Dann Sicherheitsleine nachziehen und sichern.
Inzwischen haben sich ein paar Männer auf dem Steg versammelt, beobachten uns, während sie sich dabei ziemlich interessiert unterhalten. Ich grüße freundlich, kümmere mich dann aber nicht weiter um die Gruppe. Schließlich habe ich grade im Moment andere Sorgen.
Endlich ist Wyn oben am Masttop angekommen und kann dort mit seinen Arbeiten starten. Insgesamt läuft es fast besser, als erwartet. Trotzdem vergehen nahezu zwei Stunden, bis alles erledigt ist.
Die Versammlung auf dem Steg hat sich mittlerweile aufgelöst. Einer von den Männern kommt später noch einmal vorbei, bleibt, als er mich sieht, kurz stehen und fragt: „War es sehr schwierig?“ War es das? Ich zucke nur mit den Schultern „eigentlich nicht“. Erst als er dann weiter gegangen ist, wird mir plötzlich klar, um was es ihm ging. Die Männer haben gedacht, ich ziehe Wyn mit reiner Muskelkraft nach oben den Mast hoch!!! Wow. Die haben sich also gewundert, was ich für eine starke Lady bin. Kein Wunder, dass ich zwischendurch irgendwie das Gefühl hatte „Hafenkino“ zu liefern. Ganz offenbar war ihnen nicht klar, dass sich Wyn mit eigener Kraft den Mast hochgezogen hat und ich das Fall nur nachgezogen habe, um ihn zu sichern.
Wir amüsieren uns immer noch über die starke deutsche Lady.
Wyns Geburtstag am Sonntag ist eher ein ebenfalls ziemlich arbeitsreicher Tag. Die Einkäufe für die nächsten Wochen nehmen dabei die meiste Zeit in Anspruch. Gut, dass selbst der Obst- und Gemüsemarkt heute geöffnet ist. Noch ein kurzer Besuch bei einem Stegnachbarn, der mit seinem Motorboot die vor uns liegenden Route schon häufiger befahren hat. Von ihm bekommen wir Hinweise und Tips zu Ankerplätzen, Strömung und Tide, Einkaufsmöglichkeiten unterwegs. Danach fühlen wir uns relativ gut vorbereitet für die vor uns liegende Strecke von gut 1.300 nm.
Zum Geburtstag feiern kommen wir erst am späten Nachmittag, als wir nach dem Verlassen der Marina wieder vor Anker liegen.
Am Montag früh starten wir zeitig. Unser erstes Ziel ist Lizard Island, etwa 145 nördlich von Cairns.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich nicht alleine mit Wyn reise? Sehr zur Freude von Wyn habe ich einen weiteren Reisebegleiter mitgebracht: das Kompetenz-Center Hamburg.
Er wird uns auf der ganzen Strecke wettertechnisch begleiten. Kommentar der Pacifico dazu war „Gut, dann reist du wenigstens nicht allein mit fremden Männern herum“. Und in der Tat ist es für mich ein gutes Gefühl Henning dabei zu wissen. Seine Wetternachrichten und zusätzlichen Hinweise zu Gegebenheiten der jeweiligen Reisegebiete sind unterwegs etwas Vertrautes, dass mich jetzt schon seit mehr als dreieinhalb Jahren verlässlich begleitet und das ich nicht missen möchte.
Es ist sonnig und fast windstill am Montag Morgen. Definitiv zu wenig Wind zum segeln. Und natürlich auch zu wenig Wind, um eine Welle zu machen. Wenn ich ehrlich bin, bin ich darüber erst einmal ganz froh. So habe ich doch Zeit, um mich an die Leia-B langsam zu gewöhnen. Doch wir wollen natürlich die erste Etappe nun nicht ganz und gar unter Motor laufen. Es gibt die erste Planänderung. Wir fahren hinaus zum äußeren Riff von Great Barrier zum Schnorcheln. Dorthin, wo täglich mehrere Ausflugsboote von Cairns aus starten, vollgestopft mit Touristen. So wird unser erster Tag auf See zum Urlaubstag. Wir besuchen hintereinander gleich drei verschiedene Orte und gehen dort schnorcheln. Am letzten Platz sind wir erst, als die Touristenboote sich schon alle auf dem Heimweg befinden, so dass wir einfach an einer der kommerziellen Moorings festmachen. Hier können wir dann auch über Nacht bleiben.
Bedauerlicherweise ist das Licht nicht gut genug und das Wasser auch nicht wirklich klar genug, um Fotos zu machen. So bleibt das Erlebnis Unterwasserwelt Great Barrier nur in unseren Köpfen. Das jedoch nachhaltig. Welch ein Wunder der Natur sich uns dort aufgetan hat ist kaum in Worte zu fassen. Auf mich wirkte nach Erlebnissen wie Tuamotos und Fiji diese Meeresnatur wie ein prähistorisches monumental Schauspiel. Alles ist sehr viel größer und ausgeprägter als ich es bisher kennen gelernt habe. Am meistens faszinieren die überdimensionalen bis zu geschätztem einem Meter Durchmesser lebenden großen Muscheln. Wie lange braucht eine Muschel bis sie solche Ausmaße erreicht???
Für den nächsten Tag hat Henning uns den richtigen Wind für Lizard Island geschickt und es wird unsere eine Übernacht- Fahrt. Der Spinnaker, unter dem wir tagsüber gesegelt sind, wird mit dem letzten Tageslicht eingepackt, weil wir deutlich mehr Wind in der Nacht erwarten. Und auf ein wechseln der Segel mitten in der Nacht, ohne Mondlicht, haben wir beide keine Lust. Doch auch nur mit dem Vorsegel läuft die Leia-B mehr als 5 Knoten. Was will man mehr nach der fast-Windstille vom Vortag.
Wacheinteilung. Wie mache ich es auf der Amiga? Wyn ist damit einverstanden, dass ich es wie dort halte und die Nachtwache von 1 bis 5 Uhr morgens übernehme, da ich meine Tiefschlafphase eher vor Mitternacht habe. Doch er findet fünf Stunden besser als vier. Upppsss. Na, eigentlich bin ich nach vier Stunden schon ziemlich müde. Doch er ist der Kapitän.
Schon gleich in dieser ersten Nacht merke ich, wir werden auf dieser Strecke ziemlichen Verkehr der Grossschiffahrt haben. Neu für mich und ungewohnt. AIS muss hier helfen und unterstützen. Ein Segler, der uns früh morgens überholt ist allerdings nicht mit dieser Elektronik ausgestattet jedoch brauche ich mir keine Sorgen machen. Er hält genügend Abstand.
Mein Lieblingsplatz ist mittlerweile der erhöhte Sitz vom Steuerstand draußen. Auch wenn es da oben etwas mehr schaukelt. Man hat von hieraus einfach eine super Aussicht und einen prima Überblick. Überhaupt fühle ich bei den mehr achterlichen Winden ganz wohl an Bord. Und das wird nach den Wettervorhersagen wohl auch zunächst einmal so bleiben.
Das Kompetenz-Center in Hamburg kommt mittlerweile mit den Wetterberichten in Bedroullie. Nicht das Henning nicht liefern möchte oder kann, nein, es war ausdrücklich abgemacht, die Kommunikation läuft in deutsch. Da es aber mit dem Internet nicht so klappt, schreibt Wyn ihn über Satmail an und natürlich auf englisch. Doch was so ein richtiges Kompetenz-Center ist, schafft es auch die sprachlichen Hürden zu nehmen. Bravo, Henning! Das ist nicht selbstverständlich.
Wir erreichen Lizard Island am frühen Nachmittag. Ich bin von der Nachtwache noch ganz erschlagen und freue mich, denn als ich aus dem nachgeholten Schlaf erwache, ist schon Land in Sicht.
Der Ankerplatz ist offen, nicht übermäßig gut geschützt finde ich, aber gut zu erreichen. Es liegen hier schon etliche andere Boote.
Wir begrüßen im vorbeifahren Ann und Colin, SV Anacol, die Wyn bereits in Cairns kennen gelernt hatte. Mit ihnen verabreden wir uns für später im Ressort. In der Ressort Bar wollen wir uns zum Essen und Sundowner treffen, denn heute ist einer der Tage, an denen die Yachties das Ressort besuchen dürfen. Ansonsten sind Yachties in diesem einzigen Ressort nicht willkommen. Es gibt jedoch auch keine Alternativen, also nichts anderes auf dieser Insel, wo man hingehen könnte oder etwas einkaufen.
Ann und Colin bleiben für Monate hier, wie einige andere auch. Nach einem kurzen Inselrundgang frage ich mich dann aber, was man hier wohl drei Monate lang macht. Vielleicht erschließt sich mir das nur nicht aufgrund der Kürze der Zeit, denn wir wollen ja am nächsten Tag schon weiter.
Die Insel hat ihre eigene Geschichte, die der Mary Watson, die mich irgendwie berührt und dich mich während der Stunden, die wir hier verbringen, einfach nicht loslässt.
Um es möglichst kurz und richtig wiederzugeben, hier eine Übersetzung aus dem Internet dieser Geschichte
93 Kilometer nordöstlich von Cooktown liegt eines der schönsten und abgeschiedensten Resorts Australiens – Lizard Island. Mary Watson war 21 Jahre alt und war weniger als zwei Jahre verheiratet gewesen, als sie Anfang Oktober 1881, nachdem die Festland-Aborigines zwei Arbeiter an der Station ihres abwesenden Ehemannes angegriffen hatten, sich in einem zerkleinerten Schiffswasserrank abgesetzt hatte mit ihrem Baby, Ferrier, und einem verwundeten chinesischen Diener, Ah Sam. Sie sind etwa acht Tage nach ihrer Abreise auf einer über 60 Kilometer entfernten Insel verdurstet.
In Cooktown wurde angenommen, dass Mary Watson entführt und getötet worden war, und als die Leichen einige Zeit später gefunden wurden, wurden sie zu einer Beerdigung zurückgebracht, die Cooktowns größtes öffentliches Ereignis wurde und die Stadt in Anerkennung ihres unverdrossenen Geistes vereinte. Mary Watson, deren Tagebuch, das ihre letzten Tage beschreibt, mit den Überresten gefunden wurde, wurde für viele Queensländer zu einem Symbol des Pionier-Heldentums.
In der Zwischenzeit war jedoch eine schreckliche Vergeltung gegen die einheimischen Aborigines unternommen worden, von denen die Polizei annahm, dass sie für den Tod verantwortlich waren.
Bei unserem kurzen Rundgang frage ich mich, wie damals das Leben hier wohl damals war. Wie beschwerlich muss das gewesen sein, wie einsam. Unglaublich. Was für eine mutige junge Frau und dann auch noch mit einem Baby.
Die Landschaft ist vermutlich der Jahreszeit geschuldet raus und trocken. Doch der schon fast kräftige Wind und die trockene Luft machen, dass die Hitze durchaus erträglich und wenig schweißtreibend ist.
Wir lassen uns trotz der Hinweise, nicht erwünscht zu sein, davon abhalten uns auch das Ressort anzusehen. Ein Schwedisches Paar, dass uns am Strand mit unserem Dingi behilflich ist, meint, dass es hier ohnehin niemand merkt, wenn wir uns unter die Ressortgäste mischen. Am Strand treffen wir sogar auf ein deutsches Paar, dass hier Urlaub macht. Touristen reisen mit dem Flieger an. An der Rezeption lässt sind Wyn einen Hotel-Prospekt geben. Ein Hochglanz-Heft, dass schon die Übernachtungspreise vermuten lässt. Und richtig. Eine Übernachtung kostet hier 2.000 AUD/etwa 1.260 €. Mein Güte, was wir gerade für ein Geld sparen, indem wir mit dem Boot hier sind.
In der Bar treffen sich sich dann so einige Segler. Und auch die Besatzung der 54er Dufour, die uns in der Nacht überholt hatte, treffen wir hier, wie sich im Gespräch herausstellt. Die beiden australischen Paare an Bord sind gerade zu einer Weltumseglung gestartet und fühlen sich als Youngsters in der Seglerfamilie. Es ist eine lockere Runde und wir erfahren noch so manches über die vor uns liegende Strecke. Dabei gibt es nicht nur hilfreiche Tipps, nein es werden auch haarsträubende Geschichten erzählt, wo Segler bei der Einfahrt in die Torrestrasse in Schwierigkeiten gekommen sind. Die Strömungs- und Tidenverhältnisse sind mehr als ungewöhnlich und wir können einfach nicht glauben, was uns da gerade alles aufgetischt wird.
Unser Zeitplan ist eng, denn Wyn muss spätestens zum 1 . September den Absprung in Darwin Richtung Südafrika bekommen, um auf der Strecke über den Indischen Ozean nicht in saisonale schwierige Wetterverhältnisse zu kommen. Davor muss noch Zeit für Reparaturen, Vorbereitung und Crew-Wechsel sein. Von Lizard Island wollten wir noch zu einen geschützten Ringriff am äußeren Great Barrier, dort Schnorcheln und eine Nacht verbringen. Da wir nun aber schon Schnorcheln waren, beschließen wir lieber den guten Wind Richtung Norden zu nutzen. Wer weiß, wie lange die guten Windverhältnisse vorhalten.
Ab Lizard Island wird es schwierig mit dem Schwimmen gehen. Das heißt, man sollte es lassen. Wegen der ‚Salties‘, der großen Krokodile, die es in diese Gegend reichlich geben soll. Aber sehen würde ich so ein Tier schon gerne.
Bevor wir in die Torrestrasse durch die Albany Passage einfahren, wollten wir in den Escape-River einfahren. Dort wollen wir übernachten, um ein möglichst guten Zeitpunkt zu erwischen, um mit der Tide die Passage zum durchfahren. Und hier erhoffen wir uns, auch ein paar oder zumindest ein Krokodile in freier Wildbahn zu sehen. Mit dem Begriff ‚erleben‘ muss ich hierbei wohl etwas zurückhaltender umgehen.
Wir rechnen drei Tage für die Strecke bis dorthin. Für mich etwas mehr Zeit sich auf die Nachtfahrten und entsprechenden Wachen einzustellen. Ich finde es anstrengender nur eine Nacht unterwegs zu sein, als mehrere, wo auch der Körper mehr Zeit hat sich auf den veränderten Schlafrythmus zu gewöhnen. Und unterwegs bleibt auch die Küche nicht kalt und Wyn übernimmt es, wie vorher vereinbart, uns zu versorgen. Ein Anlauf meinerseits es doch einmal zu versuchen, endet mit einem fast fertigen Essen, das Wyn dann servieren darf. Naja. Vielleicht klappt es beim nächsten mal, sollte das Meer noch etwas ruhiger sein.
Nachdem wir uns ausgerechnet haben, wenn wir weiterhin so schnell vorankommen, kommen wir mitten in der Nacht im Escape River an, gibt es einen kurzen Zwischenstopp in der Margaret Bay. Es ist eine weite offene Bucht, doch geschützt vor den Trade Winds. Wyn ist nach einem Landgang und er möchte nach Krokodilen Ausschau halten. Vorher werfen wir noch einen Blick auf die Tidentabelle. Es flutet, Tidenhub ist hier ganze 3 m.
Wir fahren mit dem Dingi auf einen langen Strand zu. Im feinem Sand wachsen hier sogar Mangroven. Doch jetzt, bei Niedrigwasser, müssen wir das Dingi in einiger Entfernung vom Strand lassen. Eine alte Fischreuse ersetzt den vergessenen Anker. Mir ist nicht wohl bei dieser Geschichte und ich treibe ein wenig zur Eile an. Als Kind der Nordsee weiß ich schließlich, wie schnell das Wasser kommen kann und plötzlich alles überspült ist. Und die Reuse ist ja auch nicht der beste Halt für das Dingi. Also bleibt es bei einem kurzem Aufenthalt von einer halben Stunde und einem anschließenden frühen Abendessen, bevor es weiter Richtung Norden geht.
Neue ändern wir unsere Pläne. Wir werden nicht mittags, sondern bereits am Vormittag Escape erreichen. Die Tide passt zu der Zeit gerade so, das wir noch mit dem auflaufenden Wasser durch die Passage kommen, bevor sie kippt. Damit fällt Escape für uns flach und wir fahren direkt weiter, um nachmittags vor Seisia vor Anker zu gehen.
Ein Plan ist eben nur ein Plan. Und gerade beim Segeln haben Wind, Wetter und Tide eben großen Einfluss und man sollte sich den Gegebenheiten anpassen. Ich lese noch einmal die Beschreibung der Ankerplätze im Escape River, die nun viel weniger einladend auf mich wirken, und verabschiede mich langsam von meinem Traum, ein Krokodil zu sehen. Vielleicht klappt es später noch.
Wir erreichen die Albany Passage bei schönstem Wetter, strahlend blauem Himmel, bestem Wind und richtigem Tidenstrom. Das aufschäumende, strudelnde Wasser links und rechts der Passage erinnert mich an die Einfahrten durch die Riffe der Tuamotos. Mehr als 5 Kntoen macht der Tidenstrom hier aus. Unser Adrenalinspiegel steigt deutlich, als wir merken das die Leia-B leicht driftet, als wir zwischen den Strudeln in die Passage einfahren. Geht das wirklich alles gut oder landen wir gleich auf den Steinen? Ein paar Atemzüge weiter merke ich, dass uns der Tidenstrom erfasst hat und uns mit dem Wind durch die Passage zieht. Plötzlich laufen wir mit mehr als 10 Knoten. Wow. Tolles und leicht berauschendes Gefühl. Links und rechts gleitet die felsige Küste mit ihren grünen Oasen an vorbei. Ein Ressort an diesem Ort verspricht seinen Gästen hier wohl täglich unglaubliche Erlebnisse.
Am Nachmittag werden wir in Seisia ein Ehepaar treffen, die uns beobachtet haben und ziemlich erstaunt waren, dass hier ein Segelboot entlang fährt.
Am Ende der Passage liegt die nördlichste Spitze Australiens. Cape York – von den Australien „the Tip“ genannt. Weniger stark doch immer noch mit mehr als drei Knoten Unterstützung trägt uns die Tide um Australiens nördlichsten Kap herum hinein in die Torrestrasse und den Beginn des Indischen Ozeans. Ich erreiche damit ein weiteres Weltmeer und kann nun sagen, ich bin auch im Indik gesegelt. Naja, fast.
Das Farbenspiel vor uns löst bei mir eine ganz eigene Faszination aus. Das Meer ist hier kaum mal mehr als 20 Meter tief und leuchtet durch die starke Strömung in einem milchigen türkis. Darüber der leuchtend blaue Himmel im Farbkontrast mit weissen, manchmal mit stahlgrauen Bändern durchzogenen Wolken am Horizont. Die raue erdfarbene bis rötlich schimmernde Küste verschwimmt in einem dunstigem graublauen Schleier. Eine unglaubliche Weite, wie ich sie sonst nur weit draußen auf dem Ozean empfinde. Ein beeindruckendes und mich ergreifendes Erlebnis, dass ich gemeinsam mit Wyn auf dem Vorschiff sitzend genieße.
Nun sind es nur noch wenige Meilen bis Seisia. Die Tide bleibt mit uns, bis wir dort vor Anker gehen, was wir als großes Glück betrachten. Denn es gibt hier heute nur einen Tidenwechsel mitten in der Nacht. Der Mond scheint hier zu stolpern, denn die zweite 6 Stunden Tide wird schlicht verschluckt.
Wir hatten eigentlich eine Kleinstadt erwartet. Doch es ist nicht mehr als ein Pier, eine Häuseransammlung, ein Motorcamp, ein Fishing-Club, Tankstelle und ein kleiner Supermarkt. Immerhin. In den nächsten Ort, wo es auch einen Bäcker gibt, fährt man per Anhalter.
Wir fahren zu einem Katamaran, der hier vor Anker liegt. Der Deutsche lebt mit seiner in Australien geborenen deutschsprachigen Frau schon seit 20 Jahren auf diesem Kat und Cruise hier entlang der australischen Küste. Sie leben hier ihren eigenen Traum.
Wir wollen zwei Tage bleiben, sind aber dann doch etwas enttäuscht von dem, was sich hier Kleinstadt nennt. Also soll es am nächsten Tag, am Sonntag, weiter gehen. Doch dann finden wir am Sonntag morgen, dass wir uns eine Ruhepause verdient haben. Wir sind ohnehin viel schneller unterwegs, als gedacht. Der Wind ist besser mit uns, als erwartet.
Nachmittags machen wir uns, bewaffnet mit Getränken und Chips für den Sundowner, auf zu der kleinen vorgelagerten Insel. Hier sollen sich auch ein paar Krokodile regelmäßig sonnen. Nur heute leider nicht. Und der Zugang zum Strand im Westen der kleinen Insel sieht ziemlich riffig aus. Also weiter herum um die Insel mit dem Dingi.
Am Ende beschließen wir den Katamaran zu besuchen. Doch dort ist niemand zu Hause. Schon fast etwas frustriert fahren wir zurück Richtung Leia-B.
So lernen wir ein weiteres Paar kennen. Sie leben seit einiger Zeit einen ähnlichen Traum an Australiens Küste, jedoch auf einem Motorboot, einem ausrangierten umgebauten Fischerboot. Der Skipper steht winkend am Heck, als wir dort vorbei fahren und lädt uns ein Bord zu kommen. Die Kat-Besatzung ist auch hier. So finden wir uns kurzer Hand in einer netten Runde wieder. Sundowner ganz anders als geplant.
Mittlerweile habe ich mich auf dem Kat gut eingewöhnt. Außerdem ist die Stimmung gut. Ich bin wohl ein brauchbares Crewmitglied und auch ein guter Co-Skipper. Das Handycap „unterwegs kann ich nicht kochen“ wird ohne weitere Kommentare anstandslos akzeptiert. Trotzdem versuche ich auch hier meine eigenen Grenzen zu überwinden. Allerdings mit eher mäßigem Erfolg.
Henning verspricht uns für die Weiterfahrt weiterhin günstige, aber leichtere Winde. Die von uns befürchtete Flaute bleibt aus. Doch kommen wir nicht so schnell voran, wie erhofft. Den nächsten Ankerplatz vor der Arnhem Küste am Cape Wessel laufen wir nicht an, weil wir dort mitten in der Nacht ankommen würden.
So geht es nonstop weiter Richtung Darwin.
Was für einen Wochentag haben wir heute? Ich weiß nicht. Ich weiß nicht einmal, wie viele Tage wir schon unterwegs sind. Da ich kein Internet habe, schreibe ich auch keine Mails und bekomme natürlich auch keine. Auf den Kalender schaue ich nicht. Ich überlasse mich ganz dem Rythmus von Tag und Nacht, den Wachen, die jetzt abseits der Hauptschifffahrtslinie viel entspannter sind. Essen, trinken, schlafen, dem Arkodeonspiel von Wyn lauschen, das Meer, der Himmel, die Sonne, der Wind, die Wolken und der unglaublich tollen Sonnenuntergängen, immer wieder, in der Weite des Meeres. Ich denke nicht darüber nach, wann wir gestartet sind oder wann wir ankommen werden. Die Zeit hat mal wieder andere Dimensionen angenommen, die Wirklichkeit unterliegt jetzt anderen Gesetzen.
Wir bekommen Besuch. Ein junger Blue Booby, findet Wyn heraus. Er lässt sich von unserer Anwesenheit in keinster Weise beeindrucken. Stundenlang pflegt er sein Federkleid. Dann wieder fliegt er eine Runde zu Fischen, bevor er wieder sicher auf dem Boot landet. Jedesmal auf einem anderen Platz. Nach ein paar Tagen sind wir ihm wohl zu westlich und er fliegt morgens gegen 8 Uhr Richtung Osten davon. Vergebens warten wir an diesem Tag auf seine Rückkehr. Dabei hätten wir gerade an diesem Tag einen fliegenden Fisch vom Deck für ihn gehabt.
Auch Wyn fischt. Ich wage mal zu bezweifeln, dass er es getan hätte, wenn er nicht darüber im Klaren gewesen wäre, dass ich am Ende höchstens den Fisch in die Pfanne packe. Ich bin gerade abends in den Tiefschlaf gesunken, als ich höre, wie er mich ruft. Also hoch an Deck und schauen was los ist. Fisch an der Schleppleine. Und zwar ein ansehnliches Exemplar von über einem Meter und geschätzten 10 kg. Es dauert etwas, bis wir ihn an Deck haben. Dummerweise hat sich die zweite Schleppleine mit der ersten vertüddelt. Als ich das Chaos entwirren will, stelle ich fest, dass an der Angel noch ein zweiter Fisch hängt. Ob nun Bonito oder kleiner Thunfisch möchte ich hier nicht entscheiden. Im Endeffekt kommt es jedoch fast auf das gleiche hinaus und ich verdrehe heimlich die Augen. Wyn ist eigentlich begeistert. Aber nur eigentlich. Das ganze Blut an Deck und die ganze bevorstehende Arbeit und meine Weigerung, Käpt’n hin oder her, ihn dabei nun wirklich zu unterstützen. Lieber tüddel ich die beiden Leinen wieder auseinander.
Naja, zubereiten tue ich den Fisch dann auch. Aber bitte jetzt nicht jeden Tag Fisch.
Und dann ist plötzlich die letzte Nachtwache da. Wir fahren zwischen den Inseln und Halbinseln hindurch und erreichen Abends kurz vor Sonnenuntergang Darwin. Wir sind eine Woche schneller hier angekommen, als ursprünglich geplant. Einerseits ist es schön, dass wir jetzt noch ein paar Tage hier Gelegenheit haben, mit etwas mehr Ruhe Reparaturen am Boot erledigen zu können. Also hauptsächlich Wyn. Andererseits auch schade, dass ich jetzt aus meiner Zeitlosigkeit wieder heraus muss. Denn ob ich dies in diesem Jahr ein zweites Mal erleben darf hängt von der Crew mit ihrer Gelassenheit und Erfahrung ab, wie ich dieses Jahr gelernt habe. Und auch davon, auf das Internet zu verzichten bzw. es gar nicht zur Verfügung zu haben.
Vielleicht wird es in den Wochen so, wo mich meine Tochter besucht. Darauf freue ich mich nun schon besonders.
Wir haben eine tolle Zeit zusammen gehabt, die für mich voller neuer Erfahrungen und gefüllt mit wunderschönen Erlebnissen war. Auch wenn ich kein lebendes Krokodil gesehen habe, entschädigt mich ein klein bisschen die lebensgroße Bronze in einer Marina in Darwin. Die Sonnenuntergänge, manchmal im rötlich gefärbten Dunst Australiens werden ein fester Bestandteil meiner Erinnerungen sein. Obwohl – ich habe mir immer wieder angehört, dass sie in Südafrika nur Durchschnitt sind. Dort sollende Sonnenuntergänge noch schöner sein.
Code „0“ ist übrigens ein Segel ähnlich einem Spinnaker, nur wir es gerollt und ist für stärkere Winde ausgelegt.
Kompetenz-Centrum Hamburg
Lieber Henning, herzlichen Dank für die wieder einmal tolle Begleitung. Euren jetzt anstehenden Urlaub hast du dir redlich verdient.