Da es früh dunkel wird, Sonnenuntergang derzeit um 17.10 h, sind wir gestern Nachmittag nach unserer Ankunft nicht mehr an Land gegangen.
Heute morgen nach dem Frühstück wollen wir eine erste Erkundungstour starten.
Wohin zuerst? Ans Ende der Landzunge, wo wir oben auf der Klippe eine Hütte sehen, die wohl der Yachtclub sein soll? Oder an den Anfang der Halbinsel, wo wir mit dem Fernglas ein Schild vor der dortigen Hütte sehen worauf steht „Restaurant/ Tours“?
Wir entscheiden uns zunächst für den Yachtclub, wo es einen Mann namens Stanley geben soll, laut Seglerhinweisen.
Mit dem Dingi schlängeln wir uns durch die Steine und das Riff, bis wir direkt unterhalb der Hütte an den Strand gehen können. Durch den dichten Dschungel führt ein seitlich begrenzter Weg steil nach oben. Wir kommen direkt auf dem Vorplatz vom Yacht-Club heraus. Überrascht stellen wir fest, dass hier mehrere Hütten und sogar ein Steinhaus stehen. Auch zwei große Wasserzisternen sind vorhanden. Einige der Hütten sind Gästehäuser, in denen man übernachten kann, sogenannte Cabins. Noch während wir uns umschauen und orientieren, kommt uns eine junge Frau entgegen. Lelon begrüßt uns und fragt, ob sie uns helfen kann. Wir fragen nach Stanley. Ja, den hätte sie hier morgens noch gesehen, doch jetzt sei er wohl wieder im Dorf bei seinem Haus. Sie würde uns den Weg zeigen. Es gibt hier am Ende der Halbinsel noch ein Dorf? Noch dazu ein gar nicht so kleines, wie wir bei unserem Rundgang später feststellen. Vom Meer aus ist es nicht zu sehen, denn es liegt völlig verborgen in dem grünen Dschungel, der nicht nur die ganze Halbinsel überwuchert, sondern weitgehend ganz Tanna.
Wir finden Stanley bei seiner Hütte im Dorf. Von ihm bekommen wir erste Informationen zur Insel und zu unseren geplanten Ausflügen nach Lenakel, dem Hauptort im Westen der Insel und zum Yasur, dem aktiven Vulkan, der nur wenige Kilometer von Port Resolution entfernt liegt. Doch als erstes gibt es eine Fotosession. Einer der Einheimischen braucht Passbilder für eine ID-Karte. Da Hermann einen kleinen Fotodrucker an Bord hat, kann er ihm solche Fotos später ausdrucken. Im Tausch gegen Grapefruits und Limonen. Während Hermann versucht ein biometrisches Foto vor neutralem Hintergrund zu machen, spreche ich die Frauen an, ob sie mir nicht einen Korb flechten können zur Aufbewahrung von Obst und Gemüse. Ja, natürlich können sie das. Wir handeln auch gleich den Preis dafür aus von 500 Vatu, umgerechnet etwa 4,80€. Eine Frau braucht für so einen Korb länger als einen Tag Arbeit. Ich mag den Stundenlohn da gar nicht ausrechnen.
Mit Stanley vereinbaren wir eine Fahrt für Mittwoch früh nach Lenakel und für Donnerstag Nachmittag die Fahrt zum Vulkan. Hermann zeigt irgendwann auf einen Pritschenwagen und meint, dass wäre unser Bus und die Fahrt über müssten wir auf den Bänken hinten drauf verbringen. Na, dass kann ja was werden. Staubmaske? Moskitoschutz? Und nicht, dass ich hier wirkliche Straßen erwarte.
Erstaunlicherweise gibt es hier im Dorf sogar kleine Hütten an denen Café oder auch Restaurant dran steht. Ohne das darin irgend jemand zu sehen wäre, aber es gibt sie. Und tatsächlich sitzen doch zwei Gäste im „Chez Lea“. Zwei junge deutsche Frauen, die als Backpacker unterwegs sind, sind für eine Nacht bei Lea zu Gast. Wir gesellen uns für eine Weile zu den beiden und tauschen uns zu unseren Reisen, Erfahrungen und geplanten Zielen aus. Begeistert, sogar enthusiastisch sprechen die beiden über ihre Erlebnisse und auch von den letzten beiden Nächten, die sie in einem Baumhaus gegenüber dem Vulkan verbracht haben.
Das Dorf besteht fast ausschließlich aus Hütten in traditioneller Bauweise und ist eigentlich das, was wir in der Südsee bisher gesucht und nie gefunden haben. Echte Dächer aus Kokospalmwedeln, Wände aus Holz und Bambus, zum Teil verkleidet mit dichten Büscheln einen kleineren Palmenart, wo die Blätter aufgeschnitten und getrocknet werden. Das Material aus denen die Körbe geflochten werden, wird hierbei zum nähen verwendet. Die Hütten stehen alle etwas über dem Boden, so dass ein paar Stufen zur Eingangstür hinauf führen. Die meisten Menschen, denen wir bei unserem Rundgang begegnen, sind verhalten freundlich. Nicht ganz so offen und locker , wie wir es aus Tonga oder Fiji kennen. Aber keineswegs weniger freundlich, wenn wir erst einmal ins Gespräch kommen.
Wir gehen quer über die Halbinsel bis zum langen Pazifik Sandstrand auf der anderen Seite. Hier donnern mächtige Pazifk-Wellen auf das vorgelagerte Riff. Draußen auf dem Riff in der schäumenden Brandung steht ein einsamer Angler und wirft immer wieder seine Leine aus. Mich wundert, wie er sich dort überhaupt auf den Füßen halten kann.
Touris! Hier gibt es tatsächlich Touristen. Ein junges Pärchen aus Israel liegt hier am Strand und sonnt sich, als wären sie auf Mallorca. Der Tourismus hat hier offenbar Hochbetrieb, denn noch zwei weitere Gäste sollen oben im Yachtclub logieren.
Am Nachmittag fahren wir mit dem Dingi zum Anfang der Halbinsel, um die Passbilder abzugeben und die Grapefruits abzuholen. Während wir auf die Tochter unseres Tauschpartners warten, gehen wir ein Stück das Ufer entlang. Über den Felsen, die die Ebbe freigegeben hat, steigen immer wieder kleine Dampfwolken auf. Als Hot Springs ist die Ecke in der Karte markiert, wo aus einer Felsspalte 80° heißes Wasser sprudelt. Die Einheimischen nutzen diese Energie und kochen hier Bananen, Süsskartoffeln, Tapioka und mehr, indem sie einfach Steine auf die Nahrungsmittel im Wasser legen, bis sie denn gar sind. Ähnlich kennen wir es auch schon aus Savusavu in Fiji. Ich überlege hier meine Wäsche zu waschen, doch letztendlich fehlt mir die Ruhe und die Zeit bei entsprechender Tide, bevor wir weiter fahren.
Doch noch sind wir hier. Am Mittwoch heißt es früh aufstehen, denn um 7.30 h warten Verri und Stanley, um mit uns nach Lenakel zum Markt zu fahren. Auch haben wir unsere Papiere dabei, um dort diese Customs-Einklarierungsgeschichte zu erledigen. Umsonst allerdings. Für die beiden ist die Tour mit uns ein gutes Geschäft. Sie kassieren pro Person 3.000 Vatu, also insgesamt rund 110 €, und können ihre eigenen Besorgungen ebenfalls gleich mit erledigen. Und auch für ein paar andere Menschen, die unterwegs hinten auf den Pickup steigen und ein Stück mitfahren, ist es eine gute Gelegenheit. Mich erinnert die Fahrt an unsere Autotrips auf den Marquesas. Für die Strecke, bis einige Kilometer hinter dem öffentlichen Zutritt zum Vulkan, kann man von Straße wohl nicht reden. Ohne Allrad geht gar nichts. Der Weg ist nicht mehr als ein ausgefahrener Feldweg, der uns mitten durch dichten und ansonsten undurchdringlichen grünen Dschungel führt. Dort, wo der Yasur irgendwann einmal seine Lava hin verströmt hat, wird es richtig holprig, und ich bin mir nicht sicher, ob eine Schnecke nicht doch schneller voran kommt. Dieser Part wird dann von Verri „Chinese Highway“ getauft und wir lachen mit ihm darüber.
Die Chinesen sind hier offenbar im Straßenbau aktiv. Nach dem Straßenbau-Projekt sollen sie eigentlich die Insel wieder verlassen, doch nun möchten sie auch Gebäude bauen. Die Tanna-Insulaner wollen jedoch die Chinesen nicht. Sie wollen nicht von der fremden Kultur unterlaufen werden und ihre eigenen Traditionen verlieren. Auch wenn sie natürlich die Straßen möchten. Ich persönlich für meinen Teil sehe die weltweite stille Ausbreitung und Invasion der Chinesen auf alle möglichen Gebiete und alle Erdteile auch ziemlich kritisch und wundere mich, warum dagegen keiner aufbegehrt und einen Stopp davor setzt. Sind die Politiker so blind? Sieht keiner, was das auf Dauer für Folgen haben wird? Auf Tanna scheint man sich dessen bewusst zu sein, doch wehren wird man sich letztendlich wahrscheinlich nicht können, wenn Politiker nur in eigener Sache und nicht wirklich für ihre Wähler unterwegs sind (mal ganz, ganz platt ausgedrückt). Mich stört es ohnehin, dass wir kaum noch etwas kaufen können, dass nicht „Made in China“ ist.
Für eine Strecke von Luftlinie rund 5 Kilometern benötigen wir fast eine Stunde. Dabei werden wir mehr durchgeschüttelt, als auf der Amiga in den letzten beiden Wochen zusammen. Insgeheim achte ich darauf nicht versehentlich auf meine Zunge zu beißen, während wir durch die Schlaglöcher hoppeln. Ab Yasur ist die Strecke etwas einfacher zu befahren. Plötzlich sind wir in einer Mondlandschaft aus schwarz-grau-brauner Asche unterwegs. Wir fahren mitten durch den großen See, der hier einmal war, und von dem nur noch ein Fluss übrig ist, weil eine natürliche Stauwand vor wenigen Jahren weggebrochen ist. Durch den Fluss fahren wir dann natürlich auch, mangels Brücke.
Weiter führt die Strecke bis hoch in die Berge. Von dort haben wir einen fantastischen Ausblick über die Küste bis hin zum schwarzen „White Beach“. Jetzt brauchen wir auch nicht mehr jedesmal anhalten oder besonders langsam fahren, wenn uns ein Fahrzeug entgegenkommt, weil wir jetzt auf einer Beton- oder auch geteerten Straße unterwegs sind. Fast zwei Stunden brauchen wir bis Lenakel, Luftlinie etwa 27 Kilometer.
Der Hauptort der Insel ist eine Ansammlung von Hütten, einer Tankstelle, Restaurants, die nicht unbedingt auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind. Es gibt zwei Banken und eine ATM Maschine, so dass wir unseren Bargeldbestand aufstocken können.
Auf dem Markt versorgen wir uns mit frischem Obst und Gemüse, zum Teil mehr als günstig. Zum Beispiel zahlt Hermann für fünf große Ananas 500 Vatu, also weniger als 1 Euro das Stück. Eier im Shop, die ich später einkaufe, sind dagegen richtig teuer mit rund 0,50 Euro das Stück! Scheinbar gibt es hier nicht große Hühnerfarmen wie in Fiji.
Viel gibt es nicht zu sehen. Eine Fähre liegt an dem kleinen Pier des Ortes und ist dabei Passagiere und Fracht aufzunehmen. Wir sind froh, nicht versucht zu haben, mit dem Boot herzukommen, auch wenn die Bucht schön ist und das Wasser sauber und klar. Zu viele Riffe und große Steine machen ein geschütztes Ankern unmöglich. Bevor wir uns auf den Rückweg machen, fragen wir Stanley, wo wir etwas zu Mittag eskönnen. Er führt uns ein Stück die Straße entlang und zeigt auf ein Haus, dass ich eher für verlassen und baufällig gehalten hätte. Als wir durch den Eingang gehen, stehen wir unmittelbar auf einer Gäste-Terrasse am Meer mit einer wundervollen Aussicht auf die Bucht. Zwei Gerichte stehen zur Auswahl, beide schmackhaft und lecker, wenn auch nur (wie meistens üblich) lauwarm serviert.
Am frühen Nachmittag kehren wir zurück auf unsere Boote, zählen unsere Knochen und sind froh, dass wir die Fahrt überstanden haben. Wir bewundern die Leute, die diese Strecke mehrfach wöchentlich fahren. Hermann meint dazu „die müssen doch dabei ganz rammdösig werden“. Wohl wahr. Trotzdem planen wir die Teil-Strecke bis zum Yasur an den folgenden beiden Tage nochmals zu machen. Einmal, um das abendliche Schauspiel am Kraterand des Yasurs zu erleben, und zum anderem möchten wir einmal in einem Baumhaus übernachten, angeregt durch die Erzählungen der beiden jungen Frauen, die wir am Montag bei Lea getroffen hatten.
Wir haben noch nicht genug von dem kleinen Dorf. Es zieht uns morgens dorthin für einen weiteren Rundgang. Diesmal begleitet Stanley uns, macht uns auf dieses uns jenes aufmerksam, erklärt die Bauweise der Hütten, beantwortet geduldig unsere Fragen. Anfangs war ich nur überrascht und erstaunt, dieses Dorf in seiner Ursprünglichkeit zu sehen, die Palmen-Bambus-Hütten, die gefegten Plätze davor. Nun habe ich Gelegenheit auch etwas von der Atmosphäre dieses Dorfes wahrzunehmen, von der Ruhe, Gelassenheit, dem Miteinander der Dorfbewohner. Und da ich selbst auf Amrum in einem mit Reet gedecktem Haus aufgewachsen bin, ist es für keine Überraschung, dass diese Häuser besser sind, als die chinesischen Wellblechhütten, die wir bisher auf allen Inseln vorgefunden haben. Die Hütten sind kühl und schattig im Sommer und warm und gemütlich im Winter. Außerdem erfahren wir, sind die Hütten leichter sauber zu halten sind und man kann in ihnen Feuer machen, ohne, wie in einer Wellblechhütte, im Rauch zu ersticken, die für ein Feuer ja mindestens einen Schornstein benötig.
Wir besuchen ein weiteres Mal Lea in ihrem „Chez Lea“ und vereinbaren, Obst und Gemüse gegen ein paar Sachen aus unseren Bootsvorräten zu tauschen. Renate hatte mir in Neuseeland zwei Dosen Cornetbeaf zum Tauschen mitgegeben und Lea scheint diese gerne haben zu wollen. Andererseits sagt sie aber, sie möchte nur etwas, wenn wir es übrig haben. Sie möchte nicht, dass wir etwas weggeben, dass wir eigentlich selbst benötigen. Diese Fürsorge seitens der Frauen erleben wir auch später noch einmal – der Grund warum es mir auffällt und ich es hier erwähne. Es ist das erste Mal, dass ich erlebe, das die Insulaner auch daran denken, dass wir gut versorgt sind. Für mich ein Zeichen, dass die Menschen hier genug haben und nicht knapp dran sind, zumindest, wenn sie sich, wie Lea mit ihrem kleinen Café, darum bemühen.
Durchgerüttelt erreichen wir am Donnerstag Nachmittag den Eingangsbereich zum Yasur. Ziemlich organisiert werden wir dort von den Mitarbeitern in Empfang genommen, bekommen einen Schild mit unserer Nationalität in die Hand gedrückt, und werden erst einmal zur Kasse gebeten. Der Eintritt kostet 9.700 Vatu. Ein echtes Schnäppchen und wahrscheinlich ein Vielfaches eines Monatsgehaltes der Mitarbeiter. Dafür gibt es zunächst eine Begrüßung der Besucher, eine angedeutete Kawazeromonie, eine kleine Tanzvorführung und eine Sicherheitseinweisung und Verhaltsregeln, wenn wir nachher zum Vulkan fahren. Die Tanzvorführung ist deutlich anders, als das was ich bisher hier in der Südsee erlebt habe. Es gibt nichts, was ich als Choreografie bezeichnen würde, und lässt mich an Dokumentarfilme über Afrika denken. Die Tänzer in ihren Baströcken stehen stampfender Weise im Kreis, der Gesang ist eher monoton. Und gerade dadurch habe ich ein weiteres Mal das Gefühl, dass sich Vanuata von den übrigen Südseeinseln, die ich bisher kennengelernt habe, deutlich abhebt.
Man sollte glauben, dass bei der Höhe dieser Eintrittsgelder, etwas mehr in dieses Gelände investiert wird. Es ist investiert worden in des Empfangsgebäude. Und die Straße zum Vulkan hinauf scheint etwas ausgebaut zu werden. Bisher aber nicht soviel, dass wir nicht ein weiteres Mal kräftig durchgeschüttelt werden. Wir fahren in Kolonne mit weiteren Fahrzeugen hinauf bis zu einem Hochplateau und parken dort. Insgesamt sind wir wohl rund 40 Besucher hier an diesem späten Nachmittag. Die Tätgkeit des Vulkans wird je nachdem, wer es einem erzählt, in vier bis fünf Level eingestuft. Ab Level 3 werden keine Besucher mehr heraufgebracht. Wir erleben heute Level 2. Leider steht der Wind ungünstig, so dass wir nicht zu dem Aussichtspunkt hinauf können, von dem man wohl bis hinunter auf die Lava schauen kann. So hören wir nur das lautstarke Grummeln, sehen Lichtreflexe, unterschiedlich stark gefärbte Rauchwolken aufsteigen und schließlich ein Feuerwerk von fliegenden Lavabrocken wenige Meter unter uns. Das Schauspiel wird mit erlöschendem Tageslicht immer spektakulärer. Ich bin froh, dass es nur Level 2 ist und wir gefahrlos hier oben stehen können. Das Lavafeld brodelt etwa 150 m über dem Meeresspiegel und scheint ein riesiges Ventil zu sein, für das, was sich unter der Erdkruste abspielt. Der Yasur ist einer der wenigen aktiven Vulkane weltweit, was diesen Ausflug noch einmal mehr besonders für mich macht. Es ist eben etwas anderes, so etwas live und hautnah zu erleben, und kurzzeitig sogar zu riechen, als es nur auf Bildern zu betrachten.
Der Wind hier oben ist recht frisch und kühl und ich bin froh eine Fleecejacke mitgebracht zu haben. Wahrscheinlich sehe ich trotzdem ziemlich verfroren aus, denn ich werde mehrfach von den Damen, die uns hier herauf geführt haben, angesprochen, ob bei mir alles in Ordnung ist. Oder liegt es daran, dass ich nicht an diesem wackeligen Geländer stehe? Von Sicherheitsabsperrung kann wohl nicht die Rede sein. Einmal kräftig rütteln und die Hölzer sind durchgebrochen, soweit sie nicht ohnehin schon am Boden liegen. Und entsprechend halte ich mich mit meiner Höhenangst in guten Abstand von der Klippe. Es könnte aber auch an meinen weißblonden Haaren liegen, überlege ich später. Die jungen Leute denken wohl ich bin alt, wie Methusalem, mit dieser Haarfarbe, was ich an der Zuvorkommenheit eines Mitarbeiters festmache, als ich für die Rückfahrt hinten auf die Ladefläche eines der bereitstehenden Pickups klettern will. Der Fahrer nimmt mich doch glatt am Arm, führt mich weg uns sagt „No, Madam, you will sit inside“ und platziert mich kurzerhand freundlich auf dem Beifahrersitz. Auf die Ladefläche dürfen dann andere aufsteigen. Na, ich freue mich. IM AUTO ist es schließlich nach dem kalten Wind wärmer.
Wir erleben am nächsten Tag ein weiteres Highlight. Damit meine ich nicht, das wir auf der erneuten Fahrt Richtung Yasur jeden unserer Knochen mittlerweile einzeln spüren. Wir haben eine Übernachtung in einem Baumhaus gebucht mit Blick auf den Vulkan. Das kleine Resort mit drei Baumhäusern und drei Cabins und einem kleinen Restaurant liegt genau gegenüber dem Eingangsbereich des Vulkans. Unser Gastgeber, Tomas, hat uns persönlich am Yachtclub von Port Resolution abgeholt und wird uns Morgen auch wieder hierher zurückbringen. Ich habe mit ihm einen Preis für Übernachtung und Transport pro Person in Höhe von 2.000 Vatu ausgemacht, also weniger als 20 Euro. Dabei habe ich jedoch nicht die geringste Vorstellung, was uns erwarten wird. Im Dorf gibt es zwar zentrale Wasserhähne, aber so richtige sanitäre Anlagen? Ehrlich gesagt, weiß ich immer noch nicht, ob es so etwas wie ein „Plumpsklo“ gibt oder eine Dusche oder ähnliches? Bestimmt kein Wasserklosett und auf gar keinen Fall so etwas wie Kanalisation. Ich habe schlichtweg keine Ahnung und bin dieses Thema bisher diskret umgangen. Und geschlafen wird auf dem Boden auf Palmmatten, die die Frauen hier im Ort selbst herstellen.
Unterwegs erfahren wir von Tomas etwas über die Tradition der Baumhäuser in Vanuata. Sie wurden als sicheres Versteck gebaut und später dienten sie den Kindern und Jugendlichen als Platz, um die Dorfveranstaltungen, an denen sie altersbedingt noch nicht teilnehmen durften, von oben zu beobachten. Als Schlaf- und Wohnhäuser wurden sie außerhalb von Gefahrensituationen nie genutzt.
Wir erreichen die Anlage, halten kurz vorher, um eine unterwegs mit/aufgenommene ältere Dame von der Ladefläche des fast neuen Pickups steigen zu lassen, und fahren auf die Auffahrt. Auffahrt ist eigentlich nicht zutreffend. Eher – wir fahren in die Gartenanlage. Tomas setzt uns direkt vor der Treppe des Baumhauses ab. Er erzählt noch kurz welche Etage des doppelstöckigen Baumhauses für uns vorbereitet ist, wo wir die sanitären Anlagen auf dem Gelände finden und wo das kleine Restaurant, da wir abends hier natürlich auch essen möchten. Seine Tochter wird für uns, heute einzige Gäste in der Anlage, kochen und uns Bescheid sagen, wenn das Essen fertig ist. Es gibt in Folge dieser Aussage also nur ein Gericht zur Auswahl: Huhn.
Doch erst einmal beziehen wir unser Quartier für diese Nacht. Dazu geht es 54 Stufen nach oben. Hermann hat gezählt. Während wir die Stufen hinaufsteigen, versuche ich nicht daran zu denken, dass ich nicht schwindelfrei bin, bringe oben angekommen einen Sicherheitsabstand zwischen mich und die Treppe und ignoriere das nervöse Kribbeln, das langsam über meine Füße in meine Beine aufsteigt, bevor es beim Bauch und letztendlich im Kopf ankommen kann. Ich will mir schließlich nicht selbst den Spaß verderben und möchte dieses Erlebnis genießen.
Und die Aussicht von dem kleinen Balkon ist einfach fantastisch. Wir schauen über den Eingangsbereich des Yasurparks bis hinauf zur Vulkanspitze, wo wir später sogar die Besucher erkennen können und die Blitzlichter diverser Kameras ausmachen.
Entgegen meinen Erwartungen ist der Schlafraum mit einem richtigen Bett mit Matratze, Kopfkissen und Bettzeug ausgestattet. Sogar Handtücher stehen zur Verfügung. Wir haben vorsichtshalber unsere eigenen Kopfkissen, Bettlaken und eine Fleecedecke im Gepäck und sind deshalb schon erst einmal positiv überrascht. Die ganze Anlage macht einen insgesamt gepflegten und sauberen Eindruck. Natürlich ist es nicht mit westlichen Standards zu vergleichen, doch wir fühlen uns spontan wohl hier und freuen uns über die Entscheidung, eine Nacht hier zu verbringen.
Die Aussicht genießend, machen wir es uns vor dem Abendessen auf unserem Baumhausbalkon bei mitgebrachtem Portwein und Käse gemütlich. Da es früh dunkel wird, haben wir schon bald erneut das Erlebnis den Yasur bei Nacht zu sehen. Lichtreflexe kündigen das weithin zu hörende kräftige Donnergrollen des Vulkans an. Die brodelnde Lava in den Kratern lässt die aufsteigenden Wolken von orange bis glühend-rot aufleuchten.
In diesem Moment fühle ich mich als jemand besonderes, jemand besonderes, der so etwas erleben darf.
Nachdem wir Samstag Nachmittag wieder zurück an Bord sind, bereiten wir uns gleich für die Weiterfahrt vor. Noch ein sehr frühes Abendessen und um 17 Uhr gehen wir Anker auf. Wir haben beschlossen über Nacht zu segeln, um bei Tageslicht die nächste Insel, Erromango, zu erreichen. Es sind nur rund 50 nm. Doch bei wenig Wind könnten wir unter Umständen in die Dunkelheit kommen. Keinesfalls wollen wir in schlecht kartographierten Gebieten riskieren nachts auf einem Riff zu landen.
Die beiden Satelitenaufnahmen stammen aus der Ovitalmap App.
Warum soll ich nach Vanuatu fahren, wenn es schreibende Hildes gibt, die so schreiben,daß man während des Lesens in die beschriebene Welt eintauchen kann. Toll Hilde, vielen Dank
Weiter so! Liebe Grüsse Henning
Danke Henning.
Thankyou Hilde
What a wonderful account of the village .
It’s a good feeling to know remote villages such as this are still thriving in traditional ways .
Just for a while I was transported through your discription to this amazing part of the world .
I look forward to reading your next adventure !!
Hört sich ja spannend an. Danke für die vielen Hinweise, da können wir ja in Euren Spuren wandeln. Euch weiterhin eine schöne, spannende und sichere Weiterreise!