Honiara. Und noch einmal Honiara. Bereits bei unserer Ankunft bin ich von dem Ankerplatz, der eigentlich geschützt hinter einer Landnase liegt, völlig enttäuscht, genervt und meine Frustration kennt zunächst keine Grenzen. Sollen wir hier eine Woche oder 10 Tage bei diesem Geschaukel aushalten und vor Anker liegen? Ich war davon ausgegangen, dass wir hier geschützt vor dem Südostpassatwinden völlig ruhig liegen würden. Stattdessen kommt der Schwell direkt aus Nordwest, Nord oder auch Nordost und der Wind dreht mehrfach am Tag bis zu 360°. So liegen wir zeitweise, meist am Nachmittag und am frühen Abend, quer zum Schwell und schaukeln bis zu 30°. Oder um sich das besser vorstellen zu können: bei der Pacifico ist nach einigen Tagen die Bordwand in Zweidrittel Höhe verschmutzt vom Öl und Dreck, der sich teilweise hier im Hafenbecken verteilt.
Als es sich am ersten Abend mit Einbruch der Dunkelheit beruhigt und auch die Nacht dann ruhig bleibt, bessert sich meine Laune wieder. Die Schaukelei wird also kein Dauerzustand sein.
Wir ankern direkt vor dem Polizei-Pier und dem Point Cruz Yachtclub. Dort können wir beruhigt unser Dingi lassen, während wir einkaufen gehen und uns ein bisschen die Stadt ansehen.
Im Club sind wir herzlich willkommen, können dort unseren Müll entsorgen, Duschen oder unsere Wäsche waschen. Der Laundry Service besteht aus einer Waschmaschine und einem Trockner, der den kleinen Raum, mangels Entlüftung ins Freie, in eine Sauna verwandelt. Man zahlt etwa 12€ für die Benutzung, egal wieviel Wäsche man an dem Tag wäscht und trocknet. Da wir ja Wäsche von zwei Booten haben, für uns ein durchaus günstiges Angebot. Das Clubangebot beinhaltet natürlich auch Drinks und Kleinigkeiten zu essen zu moderaten Preisen. Wir dürfen uns hier frei bewegen, wie die Clubmitglieder selbst, genießen den Security-Service oder auch mal eine helfende Hand. Und das alles, ohne dass man uns in irgendeiner Form, außer eben Laundry, Essen und Trinken, zur Kasse bittet. Eine ziemlich überraschende und erfreuliche Erfahrung, die wir absolut nicht als selbstverständlich empfinden.
In den ersten Tagen erledigen wir die restlichen Formalitäten zum Einklarieren, erkunden den Markt und finden vor allem heraus, an welche Adresse wir die Ersatzteile, die wir benötigen, hier in Honiara schicken lassen können. Wir entscheiden uns, die Sachen direkt zum DHL Shop schicken zu lassen und es dort dann selbst abzuholen. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellt.
Nun kann Hermann die Ersatzteile auch endlich final bestellen: RAM/ hydraulische Einheit für den Autopiloten, Radar-Dom, Wind- und Tiefenmesser sowie einen neuen Inverter für mich. Es soll alles innerhalb von 8 – 10 Tagen lieferbar sein. Der RAM wird direkt aus England kommen. Da fragen wir uns, ob das wohl klappt, wo die Briten doch gerade ganz andere Sorgen haben ?
Wir haben auch noch ein paar andere Dinge zu erledigen, nichts wirklich dringendes. Doch wo wir schon einmal in einer Stdt sind …. So geht die erste Woche herum, dann die zweite ….
Wir lernen Philip kennen, einen deutschen Einhandsegler mit seiner Parrotia, einem Boot unter holländischer Flagge, sprechen noch einmal kurz mit den Leuten aus Schweden, die zu dritt (nur Kerle) unterwegs sind. Dem Damenbesuch dort nach zu urteilen, haben sie es nett. Nachdem sie am ersten Sonntag weitergesegelt sind, wird die Ankersituation etwas entspannter. Viele Boote haben hier wirklich nicht Platz, es sei denn man ankert weiter draußen, wo es noch mehr schüttelt.
Ich bin eigentlich froh, einen guten Ankerplatz haben, nachdem ich beim ersten Mal bei den Winddrehern hier, den Bugkorb der Pacifico an meinem Dingi kleben hatte und beim Anker auf gehen, fast noch das Schwedenboot gerammt hatte. Ging gerade noch einmal gut.
An einem der Morgen hier, werde ich jedoch von einigen Asiaten geweckt und gebeten woanders zu ankern. Sie bräuchten den Platz. Geht’s noch?
Bevor ich selbst richtig wach werde, erwacht mein norddeutscher Sturkopf, und macht den Leuten freundlich aber bestimmt klar, dass das nicht geht. Ich komme dann in Trouble mit den anderen Booten. Außerdem ist Platz genug, dass sie mit ihren Fischerbooten an mir vorbei an den Pier fahren können. Der erste hat es doch schon vorgemacht. Damit verabschiede ich die Leute und gehe wieder ins Bett.
Es dauert jedoch nicht lange, dann kommen die Port-Authorities, sprich der Hafenmeister, mit fünf Mann Begleitung, um mich von meinem Ankerplatz zu verscheuchen. Wenn ich an Ort und Stelle bleiben würde, hätte ich die Verantwortung, wenn mit meinem Boot etwas passiert. Die Asiatischen Fischer müssten hier rein und raus fahren. Mittlerweile bin ich richtig wach und lasse mich so leicht nicht verscheuchen. Der Hafenmeister, sichtlich irritiert von den Widerworten einer Frau, dann noch von seinen Mittstreitern belächelt, gibt nicht auf und ich muss mich schließlich widerwillig beugen. Da sie mich dann aber wohl nicht ganz und gar verärgern wollen, darf ich vor Anker gehen mit einer zusätzlichen Landleine. Super. So hatte ich es mir eigentlich von vornherein vorgestellt, nur war ich davon ausgegangen, dass es nicht erlaubt ist. Wenig später liegt die Amiga gut vertäut in der östlichen Hafenecke und ist dadurch auch dem Schwell wesentlich weniger ausgesetzt. Geht doch.
Die Fischer sind dann so ein Thema für sich. Die Fangflotte fällt hier wohl alle drei Monate ein und lädt hier den Fisch für den Versand in Container um. Da meine Kabine zur anderen Seite liegt, stört es mich auch nicht sonderlich, dass nun neben mir 24 Stunden am Tag Schiffsgeneratoren laufen. Es liegen meist fünf der großen Schiffe in Päckchen, ständig geht es rein und raus aus der Hafenbucht. Und wenn ich mir so einige der Manöver anschaue, war es wohl besser, denen nicht großartig im Weg zu liegen, auch wenn die Amiga den Plastikbombern gegenüber nicht unbedingt benachteiligt ist. Aber besser ist ja, es nicht darauf ankommen zu lassen.
Wir sitzen nachmittags im Club beim Bier trinken zusammen mit Philip, als einer der Einheimischen aufgeregt auf uns zu kommt und auf die Boote draußen zeigt. Eins der Boote ist auf Slip gegangen. Ein schneller Blick beruhigt uns zunächst, dass es weder die Pacifico, noch die Amiga und auch nicht Philips Boot ist, sondern die verlassen an der Mooring liegende Annaliese, die sich selbständig gemacht hat.
Es weht kräftig und das etwa 27 Fuß lange Boote treibt auf die Steinmauer mit dem davorliegenden Riff zu. Ob wir sie bei dem Wind mit dem Dingi retten können? Wir versuchen sie mehrfach in Schlepp zu nehmen, doch bei dem Wind reichen meine 3 PS von dem Aussenborder nicht aus. Auch ein mutiger Asiate, der kurzerhand ins Wasser steigt und versucht die Anneliese von den Tetratoden wegzuziehen, schafft es natürlich nicht. Es bleibt nichts anderes als potentere Hilfe zu suchen. Am Polizei-Pier liegt auch ein kleineres Boot mit Aussendbordern, das hier im flachen Wasser fahren kann. Sie brauchen fast eine Viertelstunde bis sie das Boot klar haben und der Annaliese zu Hilfe kommen.
Wenig später liegt sie dann sicher an einer anderen Mooring des Yachtclubs. Philip trifft dann noch den Eigner, der feststellt, dass sein Boot bei diesem Ausflug keinen größeren Schaden genommen hat. Insgesamt wirkt er allerdings sehr wenig interessiert, dabei ist die Annaliese ein wirklich schönes Boot. Schon ein bisschen traurig, dass da so ein Boot einfach sich selbst überlassen wird und verwahrlost.
Die Insel Guadacanal mit der Hauptstadt Honiara ist eigentlich wenig sehenswert. So sehen wir auch davon ab, uns einen Mietwagen zu nehmen, um die Insel zu erkunden. Honiara selbst ist alles andere als schön und nur in Grenzen sauber. Wir besuchen das Nationalmuseum und wissen anschließend, woher die leeren Coca Cola – Glasflaschen kommen, die hier an verschiedenen Stellen für 12€ zum Kauf angeboten werden: Hinterlassenschaften der Amis aus dem 2. Weltkrieg! Überhaupt ist der 2. Weltkrieg, die Schiffswracks aus dieser Zeit, ein sehr zentraler Punkt in der Geschichte der Salomonen.
Jeden Tag sind Taucher vor dem Polizei-Pier zugange. Wir erfahren, dass sie auf dem Meeresgrund nach Bomben aus dem Krieg suchen. Nicht, dass dort das neue Polizeischiff, das aus Australien erwartet wird, vor Anker geht und womöglich dadurch eine Bombe detoniert. Dann hätte sich das mit dem neuen Schiff erledigt und ein weiteres Wrack würde den Hafen zieren.
Im Heritage Park wird Kunsthandwerk angeboten und es gehört auch eine Kunstgalerie dazu. Hermann entwickelt sich mal wieder zum Souvenir-Jäger. Ihm haben es die Holzarbeiten angetan. Besonders begeistert er sich für die NguzuNguzu, die in früheren Zeiten die Kanus zierten. Je nach Motiv ergänzt um Kopf (für Krieg) oder Vogel ( Frieden) konnte man erkennen, mit welchen Motivationen die Leute im Kanu unterwegs waren. Und über das Internet erfahren wir, dass auch die englische Queen so einen NguzuNguzu in ihrer Schatzkammer hat.
Wir warten und ich fühle mich durch diesen Stillstand schon leicht paralysiert. Als dann nach drei Wochen das erste Paket kommt, durchläuft das bei uns eine ganze Gefühlsskala: -Freude, dass es nun da ist
-Erleichterung, dass die Pacifico nun wieder einen funktionierenden Autopiloten und ein arbeitendes Radar haben wird -ein Gefühl des Luxus, weil mein neuer Inverter besser ist, als der alte
-Erstaunen, dass ein Versand per DHL von Auckland nach Honiara nur zweiTage dauert
-Fassungslosigkeit, dass der Tiefenmesser, der ja am Lager gewesen sein sollte, zur Zeit gar nicht lieferbar ist.
Der Versand hätte also schon eine Woche früher erfolgen können.
In Neuseeland beginnt ein „zuschieben des schwarzen Peters“ , was überhaupt nicht weiterhilft. Letzten Endes bekommt Hermann als Alternative ein teureres Gerät angeboten zum Preis der bestellten Variante. Das sollte nun auf Lager sein. Aber wie sich herausstellt, heißt auf Lager sein, es ist in Australien verfügbar. Statt es dann direkt von Australien nach Honiara zu senden, wird es erst einmal nach Auckland geschickt, was eine Woche dauert. Und dann wird es von dort über Brisbane nach Honiara verschickt. Eigentlich kann man darüber nur mit dem Kopf schütteln.
Zwischendurch schütteln wir auch mit dem Kopf: die Kapitäne der Fangflotte ärgern sich offensichtlich über einen Holländer, der erneut neben der Pacifico ankert. Es ist ein ziemlich großes Boot und hat bestimmt 19m Länge ohne Bugsprit. Sie fahren mehrfach unnötig nah an ihm vorbei, obwohl auf der anderen Seite das ganze Hafenbecken bis hin zum Pier frei ist. Nicht einmal ich liege Ihnen mehr im Weg. Und einer dieser Kapitäne verschätzt sich bei einer solchen Aktion wohl ziemlich kräftig und rammt den holländischen Segler. Der Bugsprit steht danach mit einem Winkel von mindestens 30° schräg vorne ab und der Steven, also das lange Holz vorn am Bug, ist gebrochen bis hinunter zur Wasserlinie. Im Yachtclub meint hierzu jemand, der Holländer hätte Glück gehabt, dass sein Boot nicht gesunken ist. Was ich durchaus glauben mag, nachdem ich mir den Schaden aus der Nähe angesehen habe.
Nach heftigen Regenfällen ist das Wasser in der Hafenbucht trüb vom Sand und Dreck, der den kleinen Fluss hinunter gespült wurde. Der Strand gleicht einer Müllhalde. Plastik, Dosen und jede Menge sonstiger Unrat hat sich dort angesammelt. Einiges fahren die Clubmitarbeiter mit der Schubkarre ab. Doch es sind solche Massen, dass sie kaum dagegen ankommen.
Als das Wasser wieder klarerer wird, sieht man in einigen Metern Tiefe bunte Quallen. Quallen? Nein, es sind Plastiktüten die dort treiben.
Nirgends habe ich bisher so viel Müll im Wasser gesehen, wie hier um Guadacanal. Es ist ganz unglaublich. Unglaublich ist auch an unserem letzten Tag ein kleiner Cruiser, die Bilikiki, der direkt neben uns ankert und gerade seine Gäste von Bord gelassen hat. Ich sehe nur, wie sie dort eine braune Brühe ins Wasser lassen, die dann in einer großen Wolke auf den Hotel-Strand zu treibt. Können Dir ihren Fäkaltank nicht unterwegs entleeren? Wenige Stunden später wird der der nächste Tank entleert. Also Hermann, mit schwimmen ums Boot ist heute aber nichts mehr.
Wir sind komplett. Die neuen Geräte bzw. Ersatzteile installiert. Auf der Pacifico sieht es nach diesem Arbeitsgrosseinsatz aus, wie nach einem Bombeneinschlag. Abgeschraubte Deckenpanele, Souvenirs, Werkzeug, ausgeräumte Kabinen und neue Vorräte müssen nun noch wieder ihren Platz finden. Auf der Amiga sah es zwischendurch nicht besser aus. Doch Hermann nimmt es gelassen. Wir fahren trotzdem am Samstag los. Eigentlich hätten wir schon Freitag losgewollt, doch ich musste mich erst einmal entparalysieren. Anders kann ich es nicht bezeichnen. Irgendwie musste ich erst einmal aus dieser Lähmung des Wartens heraus . Und dann bin ich glücklich endlich wieder unterwegs zu sein.
Unser nächstes Ziel heute sind die Russel Islands. Da macht es auch nichts, dass der Wind fehlt. Hauptsache weg von Honiara.
Und als wir abends vor Anker gehen, sieht es auf der Pacifico auch wieder sehr wohnlich und aufgeräumt aus. Alles gut überstanden.