Die erste Nacht in Fatu Hiva, in der Bucht Hana Vave, ist noch dem Ankommen geschuldet. Es dauert etwas, bis wir zur Ruhe kommen, wir unser Ankommen nach Deutschland und in die Schweiz gemeldet haben und von dort auch schon die ersten Glückwünsche empfangen. Am nächsten Morgen nehmen zunächst einmal das Bild um uns herum wahr,
die Aussicht, die sich uns von Bord der PACIFICO bietet. Als wir auf dem Pacific über unsere Erwartungen, wie die Marquesas wohl landschaftlich auf uns wirken werden, gesprochen haben, waren wir eher skeptisch. Schließlich haben wir sieben Wochen die unglaubliche und ursprüngliche, unberührte Schönheit Patagoniens genossen. Da kann man sich kaum schöneren Blick auf Berge und Meer vorstellen.
Doch der Ausblick an diesem Morgen ist beeindruckend schön. „Ganz großes Kino!“ – mal wieder. Die vor uns liegenden Berge und das eingebettete Tal sind bedeckt mit einem grünen Dschungel von Palmen, Bananenstauden, Manga- und Pamelobäumen, riesige Hibiskusbüschen und vielem, das wir noch gar nicht kennen. Graue Regenwolken hängen tief an den Bergspitzen fest und lassen sich auch von dem böigen Wind nicht vertreiben, während ringsherum die Sonne scheint. In Ufernähe sind schroffe Felswände, die sich zu skurrilen Formen versteigen, vor Urzeiten gebildet aus Lavaströmen, in den Gipfeln hier und dort dann doch wieder von Pflanzen bedeckt. Es sind wilde Ziegen zu sehen, die wir auch nachts schon gehört haben, die in den steilen Felswände herumklettern. Große Betonklötze bilden einen Schutzwall für das kleine Hafenbecken hinter dem die Häusers des Dorfes liegen.
Südsee-Feeling: Wasser und Luft zwischen 28 und 30 Grad. Im Übrigen sind die Temperaturen wohl eher deshalb gemäßigt, weil Regenzeit ist.
Fatu Hiva ist die Marquesa-Insel, die am südlichsten liegt. Es gibt hier keinen „Port of Entry“, sodass wir uns hier nur unregistriert aufhalten werden. Wir denken jedoch, dass, sollte das Zollschiff uns aufgreifen, man für uns Verständnis haben wird. Wir wollen uns hier erst einmal etwas ausruhen nach der langen Reise, bevor wir weiter reisen nach Hiva Oa, wo wir dann einchecken können. Der Reiz, gleich an Land und auf Erkundung zu gehen, ist sehr groß. Aber nach fünf Wochen seit der Isla Robinson ist PACIFICO unter Deck nicht gerade in dem saubersten Zustand. Die „runden Ecken“ sind ziemlich rund geworden und gebrauchte Sachen und Gegenstände haben lange nicht immer ihren Weg auf ihren Platz zurückgefunden. Also erst einmal aufklaren.
Am frühen Nachmittag, nachdem auch schon einige sehr nette Kontakte zu unseren Bootsnachbarn geknüpft sind, geht es an diesem ersten Tag dann doch noch an Land. Die Strecke zur kleinen Kaimauer ist nicht so schrecklich weit, sodass wir auf den Außenborder verzichten und rudern. Es dauert ein paar Augenblicke, bis der Boden unter den Füßen aufhört sich „zu bewegen“ und wir sicheren Schrittes in das Dorf gehen. Die Einheimischen grüßen uns freundlich. Ein Kind, mit Blick auf unser Plastiktüten, macht uns darauf aufmerksam, dass wir unseren mitgebrachten Müll hier nicht entsorgen dürfen, sondern erst auf der Insel Hiva Oa. Also zurück damit an Bord. Die meisten einstöckigen Häuser, wie auch die Kirche, die wir sehen, haben Fenster, manchmal Gardinen, aber keine Glasscheiben. Nur die offenbar neueren Häusers haben nicht nur Gardinen, sondern auch verglaste Fenster. Zwei dieser Häusers ohne Glasfenster, die wir auch von innen sehen, bestehen aus nur zwei Räumen. Geschlafen wird auf Matratzen, die auf dem Fußboden liegen oder auch einem Etagenbett für die Kinder. Es gibt kaum Möbel. Ein Küchentisch steht mit den Füßen in Wassertöpfen (wegen der Ameisen). Aber in beiden Häusern gibt es neue große Flachbildfernseher. Ein Karton einer neu angelieferten Waschmaschine wird auch als Möbelstück genutzt. Smartphones. Krasse Gegensätze in sich. Vor dem Betreten eines Hauses lässt man seine Schuhe draußen auf einem zum Eingangspodest umfunktionierten Holzbalken zurück. In einem separaten Häuschen befindet sich Dusche, Waschmaschine und wahrscheinlich die Toilette.
Es ist leicht, Kontakt zu den Einheimischen zu bekommen. Sie sprechen einen auf der Straße an oder winken uns von ihren Häusern aus zu sich heran, um Früchte und Holzarbeiten zu verkaufen oder ein Abendessen anzubieten. Restaurants gibt es hier nicht, nur ein Pizza-take-away. Also sehen wir uns an, was sie zu bieten haben. Da es hier keine Bank gibt, haben wir auch keine Währung zum Bezahlen. „Kein Problem – habt ihr Rum?“ Haben wir. Also tauschen wir eine Flasche Rum gegen sechs Pampelmusen und vier Papaya. Uns hat der Rum nicht viel gekostet. Hier ist Alkohol jedoch nur schwer zu bekommen und dann immens teuer. Eine Flasche Ricard kostet in Atuona z.B. über 30 Euro. Für die geschnitzten Tiki-Figuren können wir uns zunächst nicht entscheiden. Wir wollen wiederkommen. Die Polynesier sind offenbar geschäftstüchtig und wollen nicht darauf warten, dass wir wiederkommen. Am nächsten Tag bekommen wir Besuch an Bord. Die Tiki-Figuren, die wir gestern schon gesehen haben und auch eine Holzschale, für die wir uns interessiert haben, hat Christian gleich mitgebracht. Und dann wird gehandelt. Wieviel Rum und Wein wir denn hätten? Und obwohl wir eigentlich kein wirkliches Interesse haben, entwickelt sich plötzlich so etwas wie ein „Tauschrausch“. Und dann kommt auch noch Teiki mit seinem Sohn an Bord und möchte ebenfalls seine Tiki-Figuren bei uns gegen Wein und Rum oder auch Taue eintauschen. Am Ende des Tages sind wir stolze Besitzer etlicher Holzfiguren und der Holzschale, haben dafür aber PACIFICO um Rum, Wein und einige Meter der nicht mehr benötigten Patagonien-Landleinen erleichtert.
Eingetauscht werden offenbar gerne Alkohol, Süßigkeiten und Kekse, Zucker, Taue, Kleidung, Schuhe, Sonnenbrillen.
Es führt ein Weg über die Berge zum anderen Dorf im Süden der kleinen Insel. Man kann sich für 60 Euro dort per Boot hinfahren lassen und den Weg, für den man dann etwa 3 bis 4 Stunden benötigt, zurückgehen. Nachdem wir den Skipper der „Rose of Jericho“ mit seiner Partnerin abends kurz oberhalb des Dorfes treffen, und die beiden gut 6 Stunden für diese Strecke benötigt haben, verzichten wir auf diese Variante. Die beiden hatten sich zunächst verlaufen, weil der Weg nicht ausgewiesen ist. Wir verlaufen uns dann lieber in der Nähe des Dorfes, als wir den sehenswerten Wasserfall suchen. Und das in strömenden tropischen Regen! Wir sind triefend nass bis auf die Haut. Als wir schließlich den richtigen Weg gefunden haben, kommt mittlerweile so viel Wasser aus den Bergen herunter, dass die Bäche sich zu reißenden Flüssen entwickelt haben. Die Brücke, über die wir vorher noch gegangen sind, ist völlig überspült. Die Wege werden von dahinrauschenden Bächen unterbrochen, durch die wir mutig hindurch waten. Der Weg zum Wasserfall ist dann auch nicht mehr gangbar, als wir ihn erreichen. Und Hilde hat hierfür das „absolut passende“ Schuhwerk gewählt: Flipflops. Naja, die haben diesen Fußmarsch dann auch nicht überlebt. Also barfuß zurück zur PACIFICO – wir befinden uns schließlich auf der „Barfuß-Route“.
An unserem letzten Abend auf Fatu Hiva wollen wir das typische Festessen der Südsee kennen lernen: Schwein und Bananen gegart in der Erde. Dazu wird es Reis, Brotfrüchte, rohen Fisch in Kokosmilch und ein Kokos-Soße geben. Wir sind schon sehr gespannt. Die Crew der „Rose of Jericho“ hat sich auch zu diesem Essen angemeldet. Teiki, in dessen Haus es stattfindet, war am Vortag in seinem Boot in Begleitung eines Freundes zum Norden der Insel zur Jagd gefahren. Die zahlreichen Hunde, die in seinem Haus herumwuseln, waren zum Teil auch dabei. Wohl um die Beute aufzustöbern. Sein Jagdgewehr hatte er uns Tage vorher schon ganz stolz vorgeführt. Er erlegt für diesen Abend ein 70 kg schweres Wildschein. In dem Erdofen wurde am Abend vorher schon ein Feuer gemacht, um die darin liegenden Steine zu erhitzen. Verpackt in Alu-Folie und Bananenblätter werden dann Wildschwein-Stücke und Bananen, zusätzlich von Erde und Wellblech bedeckt, 13 Stunden von den heißen Steinen gegart. Das Ergebnis ist ein zartes, schmackhaftes Fleisch. Insgesamt war dieses Essen ein Erlebnis. Möglicherweise haben wir aber ein zu hohes Anspruchsdenken, als wir beschließen, dass wir das nicht wiederholen wollen. Das Fleisch nur lauwarm und uns wurden die eher fettigen, sehnigen Teile des Schweins serviert. Lauwarm, wie wir erfahren, weil die Polynesier eben mit den Fingern essen. Ungewohnt für uns Europäer. Der rohe Fisch in weißer Kokosmilch wurde dann auch von den anderen Gästen verschmäht, die ansonsten eher begeistert wirkten.
Fatu Hiva, unsere erste Südsee-Insel. Hana Vave soll laut unserer Bücher die schönste Bucht der Marquesa-Inseln sein. Aber wir haben auch erfahren, dass das was in diesen Büchern steht, nicht immer zutreffend ist. Wir sind deshalb sehr gespannt, was uns noch erwarten wird.