Die Reise nach Tahuata ist kurz. Sie dauert nur etwas über zwei Stunden. Kaum sind wir aus dem Hafen von Atuona, nimmt Wind und Welle zu, so dass wir die Segel hissen und gute Fahrt machen. Wegen der Wärme ist die vordere Kabinenluke noch geöffnet, um den Wind durchs Boot strömen zu lassen. PACIFICA, unser Dingi liegt darüber, damit es nicht
hineinregnet. Dass das nicht reicht, stellen wir dann sehr schnell fest. Eine große Welle überspült das ganze Vordeck und das Salzwasser fließt damit auch durch die Kabinenluke rein. Wer keine Arbeit hat, macht sich welche. Wir werden alles zum Trocken an Deck ausbreiten müssen.
Vielleicht haben wir ja beim Angeln etwas mehr Glück und sind gespannt, was die neu erworbenen Tools so bringen. So ein Glitzerköder kostet schließlich um die 15 Euro und wurde vom Verkäufer als sehr Erfolg versprechend empfohlen. Ist er dann auch. Nach nicht einmal einer viertel Stunde hat ein so großer Fisch angebissen, dass er alles mitnimmt – vom Köder bis zur Stahlleine, die dafür sorgen soll, dass die Angelsehne nicht durchgebissen wird.
Es gibt eine Vielzahl von Buchten und Stränden an der Westseite von Tahuata. Die „Manta – Bucht“ im Norden der Insel heißt Hanamoenoa und ist bei den Yachties gut bekannt. Vor uns segelt ein amerikanisches Boot, die Turkan, die kurz vor uns Atuona verlassen hat und auch auf diese Bucht zu steuert. Wir segeln vorbei an einer nicht kartographierten Bucht und sehen den ersten Strand der Insel. In dieser Bucht liegt kein Boot vor Anker. Kurz entschlossen ändern wir unseren Kurs, folgen nicht mehr dem Amerikaner, um uns die offene Bucht an zu sehen. Die Bedingungen sind gut und wir gehen vor Anker. Die Mantas können wir immer noch besuchen.
Südsee-Feeling. Wir haben die Bucht für uns ganz allein. Alle anderen fahren und segeln außerhalb der Bucht in einiger Entfernung an uns vorbei. Das türkisfarbene Wasser ist warm und klar und lädt zum Schwimmen ein. Palmen am Strand und ein verlassener Unterstand im angrenzenden grünen Dschungel, der möglicherweise einmal bewohnt war. Hier können wir uns frei bewegen und deshalb bleiben wir ein paar Tage. Wir genießen die Abgeschiedenheit, stehen morgens früh auf, um vor dem Frühstück zu schwimmen, pflegen PACIFICO und backen am Strand in einer Tonschale brasilianische Fleischpasteten im heißen Öl, überlassen uns einem ganz neuen Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit.
Nachmittags wird mit der „kleinen“ Angel geangelt. Die Fische, auf die wir es abgesehen haben, sind unter PACIFICO gut im Wasser zu erkennen. Als Köder verwenden wir einen kleinen Bonito (kleiner Thun), den wir früher schon einmal gefangen hatten, uns zum einkochen für Pizza aber zu klein gewesen ist. Die kleinen Fische schaffen es jedoch immer wieder, sich das Köderfleisch zu holen, ohne auf den Haken zu gehen. Die größeren schnappen sich den Köder samt Senkblei und zurück bleibt nur das lose Ende der Angelsehne. Nachdem dies das zweite Mal passiert ist, wird dann aufgerüstet!!! Stärkere Leine und der Haken samt Köder am Stahldraht. So bleiben uns wenigstens Haken und Senkblei erhalten. Am nächsten Tag kommen die Fische nachmittags wieder. Es wird ein neuer Versuch gestartet, unseren Speiseplan zu ergänzen. Man kann deutlich im Wasser sehen, wie sie unseren Köder umkreisen, daran naschen, aber uns dann doch nicht auf den Haken gehen. Wir streuen Köderfleisch und bringen sie damit in aufgeregten Futterneid. Jeder versucht ein Stück zu ergattern. Wir haben Erfolg und fangen einen der kleineren Fische. Und dann noch einmal. Der größte unter ihnen, der bisher immer einen Bogen um unseren Köder gemacht hat, geht uns in dieser Aufregung dann auch noch auf den Haken. Mit 4 Kilo Gewicht reicht er alleine schon für 2 Mahlzeiten auf unserem Speiseplan.
Am Donnerstagmorgen packt uns dann doch die Neugier auf die Mantas. Wir motoren die knappe halbe Stunde zur nächsten Bucht und gehen zwischen neun anderen Segelbooten vor Anker, die wir zum Teil schon in Atuona und Fatu Hiva gesehen haben. Wir sind gespannt. Es gibt sogar eine Uhrzeit am Vormittag, zu der die Mantas in der Bucht auftauchen sollen. Aber vorher noch beschäftigt uns ein ganz anderes Problem. Der Generator streikt mal wieder. Kurzerhand bauen wir den neuen Vergaser ein, den wir aus Deutschland mitgebracht haben und von dem wir dachten, dass wir ihn nie benötigen werden, nachdem sich in Ushuaia herausgestellt hatte, dass er nur wegen dem Kraftstoff nicht funktioniert hatte. Jetzt sind wir froh, dass wir dieses Ersatzteil dabeihaben. Und schon läuft er wieder. Aber wo ist die Gehäuseabdeckung geblieben? Sie lag doch eben noch hier?! Ins Wasser geweht??? Wir suchen schwimmend mit Taucherbrille und Schnorchel den Meeresboden ohne Erfolg ab. Erst im zweiten Anlauf sehen wir die Abdeckung in einiger Entfernung von PACIFICO in 8 m Tiefe auf dem Meeresboden liegen. Die rote Abdeckung sieht unter Wasser schwarz aus, ist aber an der Beschriftung gut zu erkennen. Der Kescher wird an ein langes Tau gebunden, denn so tief können wir beide nicht tauchen, und schon im ersten Anlauf gelingt es den Deckel wieder ein zu fangen. Glücke gehabt, denn Ersatz wäre schwer zu bekommen. Zumindest hier auf den Inseln.
Von den Mantas sehen wir an diesem Vormittag nur einen kleineren, der durch die Bucht schwimmt. Der große Schwarm bleibt aus.
Die Bucht ist bewohnt. Es leben eine junge Leute direkt in dem an den Strand grenzenden Dschungel in ähnlichen Unterständen, wie wir sie bereits, wenn auch verlassen, in der Nachbarbucht gesehen haben. Sie grüßen freundlich, sind auch bereit für einen kleinen Plausch, bitten uns aber zu respektieren, dass es uns nicht erlaubt ist, hinter den Zaun entlang des Dschungelrandes zu gehen. Wir haben gelesen, dass es in Polynesien keine Zäun gibt, aber jeder Baum und Strauch irgendjemanden gehört. Man darf nicht ungefragt etwas nehmen. Das scheint sich hier inzwischen geändert zu haben – das mit den Zäunen. Denn auch bereits auf Fatu Hiva haben wir Stacheldrahtzäune gesehen, relativ neu, da sie noch keinen Rost angesetzt haben. Unschön, wie wir finden, und auch etwas traurig, dass die Einwohner solche Zäun als nötig erachten, um ihr Eigentum zu schützen. Da gibt es offenbar schlechte Erfahrungen, die solche Auswirkungen haben.
Von Steven, einem dieser jungen Leute dort am Strand, erfahren wir, dass es am Sonnabend in dem südlichsten Dorf der Insel ein Fest geben soll. Das möchten wir auch erleben. Also geht es am Sonnabendmorgen Richtung Süden. Und dann, beim Verlassen der Bucht sehen wir doch noch die großen Mantas. Sie schwimmen direkt unter der Wasseroberfläche und wir sehen ihre Flügelspitzen weiß aus dem Wasser auftauchen. Einer kommt so nah an PACIFICO heran, dass wir sein Maul unter Wasser erkennen können. Nur, um zu ihnen ins Meer zu springen, haben wir zu viel Wind und Bewegung des Wassers. Und kaum, dass wir noch einmal geankert haben, sind sie dann auch wieder verschwunden. Schade. Ein Foto wäre doch toll gewesen, noch besser, einmal mit ihnen zu schwimmen.
Im nächstgelegenen Dorf an der Küste, kann man laut Steven, Früchte und mehr kaufen. Eigentlich haben wir Zeit genug, um uns das einmal an zu sehen und vielleicht unsere Vorräte zu ergänzen. Doch als wir in Höhe der Bucht sind, fegt der Wind von Land mit über 35 Knoten. Nur wenige Boote liegen dort Anker. Klar, es wird dort bei diesen Windverhältnissen, ausgelöst von einem Düseneffekt, der durch die Berge entsteht, sehr unruhig sein. Wir verzichten und fahren weiter. Eine halbe Stunde später erreichen wir die Buchten Anse Ivaiva Iti und Ivaiva Nui mit dem kleinen Dorf, in dem heute das Fest stattfinden wird. Es liegen dort natürlich schon etliche Yachties vor Anker, die das gleiche Ansinnen haben, wie wir auch. Dennoch wundern wir uns, nicht alle auf dem Fest zu treffen. Viele bleiben an Bord und gehen gar nicht an Land.
Diesmal wird PACIFICA mit dem Außenborder bestückt. Die Strecke quer durch die beiden Buchten zu dem kleinen Hafen des Dorfes ist zum Rudern zu weit. Die Fahrt dorthin dauert selbst mit Motor mehr als 20 Minuten. Als wir gegen drei im Dorf ankommen, nehmen wir fast als erstes einen leicht säuerlichen Geruch war. Diesen Geruch kennen wir bereits von Fatu Hiva. Er entsteht bei der Kopra – Herstellung (getrocknete Kokosnüsse aus denen Kokosöl hergestellt wird). Auf jeden Fall werden auf großen überdachten Holztischen aufgeschlagene Kokosnüsse vier Tage getrocknet (wodurch der säuerliche Geruch wohl entsteht), anschließend in Säcke verpackt und nach Papeete transportiert. Daraus wird dann Kokosöl und Kokosseife hergestellt. Also die Bewirtschaftung der Kokospalmen und die Cobra – Herstellung sind eine der Einnahmequellen der Inseln.
Das Fest findet auf dem Gelände der Kirche mit dem Friedhof statt und ist schon in vollem Gange als wir eintreffen. Alle Altersgruppen sind vertreten. Die Kinder spielen Ball, toben herum, während die Erwachsene an einem Bowl-Turnier teilnehmen, sich unterhalten oder schmückende festliche Blumenkränze binden. Die Kinder aus allen Tälern der Insel sind das ganze Wochenende hier, um gemeinsam zu beten und die Zeit miteinander zu verbringen. Es werden selbstgebackener Kuchen, Eis und Getränke verkauft. Allerdings dauert es etwas, bis wir den Verkaufsplatz finden. Es ist ein kirchliches Fest.
Die christliche katholische Kirche nimmt auf den Inseln eine wichtige Stellung ein. Auf Fatu Hiva war täglich abends um 18 Uhr Gottesdienst und natürlich am Sonntagmorgen. Wer als Tourist am Sonntag etwas möchte muss sich bis Montag gedulden. Die Missionare haben hier vor Jahrhunderten schon offenbar ganze Arbeit geleistet. Die Tradition der Inselbewohner ist in ihrem Ursprung nicht mehr zu erkennen, ist sie doch eng vermischt mit den kirchlichen Ritualen und Gesängen.
Wir warten auf den Höhepunkt der Veranstaltung mit Gesang und Tanz gemeinsam mit den anderen Yachties, die sich hier eingefunden haben. Dabei lernen wir einen jungen Mann kennen, der mit seinem 8-Meter-Boot aus Alaska hierhergekommen ist (ziemlich sportlich). Seine Begleiterin ist eine Biologin aus Belgien, die jeweils 3 Jahre in Hamburg und auf den Osterinseln gelebt hat und für die Zukunft keine festen Pläne hat. Die beiden haben sich jetzt in Atuona kennengelernt. Von ihr erfahren wir, dass es um 18.00 Uhr Abendessen gibt, um 19.00 h Tanz und Gesang starten und am nächsten Morgen um 8.00 h Gottesdienst sein soll. Das Abendessen ist kostenlos und für alle. Auch für uns Yachties. Also stellen wir uns, als es losgeht, einfach in der Schlange mit an, nehmen uns Teller und Besteck, und bekommen eine Schale süßen Milchkaffee, Baguette, Reis, eine Art Gulasch und Bananen. Gegen 19 h geht es dann auch los. Die Kinder und Erwachsenen bekommen vor ihrem Auftritt aufgeregte letzte Anweisungen. Wir erleben ein buntes Programm von Gesang, Tanz und Darstellung von vermutlich biblischen Geschichten. Auch ohne das wir wirklich den Inhalt verstehen, ist es wunderschön und gefällt uns sehr.
Da es später wurde, als geplant, ist es auf unserem Rückweg stockdunkel. Zudem ist Ebbe, was den Einstieg in PACIFICA vom Kai aus etwas schwierig macht. Zumindest für Hilde. Aber irgendwie geht es am Ende doch und eine, in weiser Voraussicht, mitgebrachte kleine Taschenlampe erleichtert uns die ganze Sache dann doch erheblich. Und PACIFICO finden wir in der Dunkelheit, es ist Neumond, dann auch wieder.
Am nächsten Morgen erscheinen wir pünktlich nach morgendlicher Schwimmrunde und Frühstück um 8.00 h zum Gottesdienst. Der beginnt tatsächlich erst um 9.00 h, um 8.00 h gibt es Frühstück. Da hat unsere Übersetzerin wohl etwas falsch verstanden. Macht nichts. Der Gottesdienst, den wir von vor der vollen Kirche mit vielen anderen kleinen und großen Inselbewohnern erleben, ist fröhlich und wunderschön. Gebete, Musik und Gesang wirken auf uns sehr harmonisch und man spürt die Freude, die diese Menschen daran haben. Im Anschluss an den Gottesdienst werden Kuchen, Pasteten und Mittagessen zum Mitnehmen verkauft. Die Insulaner tragen oft mehrere Portionen in Plastikschalen vor sich her, offenbar für die ganze Familie zu Hause, und ganze Kuchenpakete. Der Verkaufserlös, sowie auch die Kollekte während des Gottesdienstes, gehen dann zu Gunsten der Kirche. Vom Kuchen haben wir vor Ort auch noch einmal gegessen und auch die Pasteten probiert, aber unser Mittagessen wartet schon seit gestern auf PACIFICO: brasilianische schwarze Bohnen. Nur Bananen fehlen uns noch für dieses Gericht. Die haben wir leider nicht bekommen können.
Auf unserem Rückweg mit PACIFICA fahren wir neugierig einmal um das 8-Meter-Boot der jungen Leute herum. Dabei kommen wir auch an der schwedischen Arianne vorbei. Dort hängt eine ganze Bananenstaude, ziemlich reif, im Cockpit. Fragen kostet ja nichts, denken wir, und unser Mittagessen wäre komplett. Wir sprechen den Schweden, Lars heißt er, an. Am Ende ziehen wir mit einer Menge Bananen ab und erwarten in einer guten Stunde einen Gast zum Mittagessen an Bord. Lars ist 74 Jahre alt, seit einem Jahr allein unterwegs, hat auch Kap Horn und die Arktis auf seiner Route besegelt, und trifft seine Frau in Kürze auf den Tuamotus. Er hat von ihr für diesen Trip, den er eigentlich schon vor 20 Jahren machen wollte, dreieinhalb Jahre frei bekommen. Ganz nebenbei – für seine 74 Jahre sieht Lars ziemlich fit aus und sein Alter sieht man ihm nicht an, wie wir finden.
Am Nachmittag fahren wir zurück zur „Manta-Bucht“, erleben als wir am Nachbardorf vorbeifahren, wieder diesen Düseneffekt des Windes, diesmal mit über 40 Knoten, und werden am Mittwoch zum Einkaufen zurück nach Atuona segeln.
Tahuata hat uns ausgesprochen gut gefallen und wir werden uns sicherlich besonders daran erinnern, wie wir diese Insel erlebt haben.