Am Mittwochmorgen fahren wir nach Atuona zurück. Heute soll das Versorgungsschiff kommen und damit auch Gas und Diesel. Mit dem ersten Tageslicht sind wir schon unterwegs, die kurze Passage Richtung Osten zwischen den beiden Inseln Tahuata und Hiva Oa hindurch. Der Ostwind wird in der Regel im Laufe des Vormittags stärker und das
gegenan fahren schwieriger. So benötigen wir nur zwei Stunden, werden in dem kabbeligen Wasser vor Atuona noch einmal ein bisschen durchgeschüttelt und sind pünktlich zum Entladungsbeginn des Versorgungsschiffes da.
Bevor wir tanken können, benötigen wir noch den Duty-free-Schein und rufen Sandra Woellert, die Agentin für Yachties über Funk. Um 9.00 h ist sie am Dingi-Dock, nimmt unsere Papiere entgegen und sichert uns den Schein für Freitag zu. Trotz der Gebühren für diesen Schein, spart es doch einiges Kosten für Diesel. Nicht nur hier, sondern in ganz franz. Polynesien. Es lohnt sich also darauf zu warten. Das heißt aber auch für uns, wir können nicht am nächsten Tag wieder los und müssen dann doch zwei Nächte bleiben. Also planen wir neu, werden am nächsten Tag einen Ausflug machen, uns die Insel ansehen und zur Ausgrabungsstelle Eiaone Puamau fahren. Heute besorgen wir erst einmal eine große Gasflasche, um sie in unsere beiden kleineren Flaschen umzufüllen. Dass wir dies direkt erledigen, wird sich noch als Glücksfall erweisen, denn keine 36 Stunden später ist Gas wieder ausverkauft – bis das nächste Versorgungsschiff kommt. Ein Boot aus Neuseeland, das nach uns mit einer jungen Familie an Bord ankommt, hat dadurch ein wirkliches Problem. Sie kommen direkt von Panama und sind mit ihren Vorräten ziemlich am Ende.
Die Neuseeländer sind seit sechs Jahren unterwegs und auf dem Weg zurück nach Hause. Das jüngste Mitglied der Familie ist fünfeinhalb Monate jung und in der Karibik geboren. Das Baby wird von allen an Bord betueddelt, denn es sind auch abschnittsweise immer mal andere Freunde „Hand gegen Koje“ mit an Bord. Die Mitreisekontakte organisieren sie über ihren Facebook-Freundeskreis, so dass es nicht ganz und gar Fremde sind, die sie da so mitnehmen.
Nachmittags gehen in den Ort, um zu schauen, was wir an Obst und Gemüse bekommen können. Das wird heute auf jeden Fall schwierig, denn es ist kein Markttag und in den Geschäften gibt es kaum etwas. Wenn man daran denkt, wie das Angebot in dieser Beziehung in den Supermärkten in Europa aussieht, fragt man sich, was die Menschen denn hier so essen. Aber fast jeder hat ja eigene Früchte im Garten. Und Gemüse, wie wir es kennen und es gewohnt sind, steht hier kaum auf dem Speiseplan.
Angeboten werden Brotfrüchte (eignen sich zum Kochen und braten als Beilage zu Fleischgerichten), Bohnen, Mangos, Pampelmusen (gibt es bei uns jetzt jeden Morgen zum Frühstück), Papaya, Tomaten, Äpfel und Birnen (wahrscheinlich Importware, da nur im Geschäft), Salat, Karambole (die schmecken hier richtig lecker, ganz anders als in Europa), Zwiebeln (Importware?), Bananenstauden (wir bekommen am Freitag eine, die wir bei Sandra bestellt haben), Kochbananen (wirklich lecker mit Zimt und Zucker), Auberginen, Paprika, Weißkohl (wohl auch eher Import), Pomme de Centuri (den Namen haben wir so verstanden, können aber nirgends etwas über diese leckere nach Apel/Pfirsich/Apfelsine schmeckende Frucht finden), Kartoffeln (etwas weich, also Import), Mangold, Apfelsinen, Limonen, Gurken, Kokosnüsse.
Insgesamt ist es also gar nicht so wenig, aber es gibt eben nicht alles gleichzeitig zur Auswahl. Man nimmt das, was man gerade bekommt. An den Bäumen sehen wir noch einiges an uns unbekannten Früchten. Möglicherweise lernen wir noch das eine oder andere kennen.
Auch unser Ansinnen, eine neue französische Gastlandflagge zu erwerben, erweist sich als überraschend schwierig. Wir sind davon ausgegangen, dass so etwas ohne weiteres zu haben ist. Unsere Fahne ist leicht angegriffen, und wir möchten nicht, dass sie ganz kaputtgeht. Sie gehört nämlich zu dem Fahnensatz, den bereits Hermanns Eltern vor 35 Jahren auf ihren Reisen an Bord hatten und hat somit einen familiären wie auch nostalgischen Hintergrund, den wir gerne bewahren wollen.
Am Donnerstag wollen wir kurz noch einmal auf den Markt, der aus drei Anbietern besteht, und Pampelmusen kaufen, bevor wir uns ein Moped oder ein Auto für unseren Ausflug mieten. Sandra steht mit ihrem Wagen am Dingi-Dock und wir haben die Hoffnung, dass sie uns mit in den Ort nehmen kann. Es kommt besser. Sie nimmt kurzer Hand ihr Handy und bestellt uns einen Mietwagen, der eine viertel Stunde später gebracht wird. Der Tarif ist günstiger, als bei dem Anbieter im Ort und außerdem bekommen wir einen Allrad-Pick-up zur Verfügung gestellt und damit auch noch ein größeres und bequemeres Fahrzeug. Super. Die Einkaufsliste wird um das ergänzt, was wir für ein Picknick benötigen und eine Stunde später sind wir bereits auf Tour Richtung Tikis.
Die Fahrt bis zur Tiki-Ausgrabungsstätte soll eineinhalb Stunden dauern. In Anbetracht der Größe der Insel, kommt uns diese Zeitangabe sehr lang vor. Es dauert jedoch nicht lange, bis wir verstehen, warum. Unser erstes Etappenziel ist der Flughafen der Insel. Die asphaltierte Straße führt weit nach oben. Aus dem Auto heraus haben wir einen wunderbaren Blick hinunter auf die tiefblaue Bucht von Atuona mit der kleinen Felseninsel und der langgezogenen Brandung vor dem Dorf. Verschiedene Aussichtspunkte bieten die Möglichkeit anzuhalten, auszusteigen und die Aussicht auf sich wirken zu lassen. Kurze Zeit später erreichen wir den Flughafen auf dem Hoch-Plateau. Er besteht aus einem kleinen Parkplatz, auf dem bereits etliche Allrad-Pick-ups stehen, wenigen flachen Gebäuden und einer offenen Abflughalle, in der die Fluggäste auf ihre Abreise warten, und natürlich der Start-und Landebahn. Am Rand der Landebahn steht ein kleines, etwas nostalgisch wirkendes Feuerwehrfahrzeug bereit. Alles ist in Erwartung des täglich von und nach Papeete verkehrenden Fliegers. Wir fahren weiter. Kaum sind wir wieder auf der Hauptstraße und hinter dem Abzweiger zum Flughafen, wird aus der asphaltierten Straße, eine noch schmalere zweispurige Betonstraße.
Unsere Fahrt geht mitten durch den Dschungel von Bananenstauden, riesigen Mango- und Brotfruchtbäumen, Kokospalmen, Yucca-Palmen und mächtigen alten Bäumen mit riesigen Baumkronen, Flächen überwuchert von Schlingpflanzen, verschiedenen Moosarten. Eine unglaubliche Vielfalt an Pflanzen, die in allen möglichen Grüntönen variieren und dazwischen immer wieder farbenprächtig blühende Hibiskus Sträucher. Wir fühlen uns wie in einem Märchenwald, so verwunschen schön wirkt alles auf uns. Die Straße wird immer wieder zur Sand- und Matschpiste, häufig nur einspurig befahrbar. Es geht steil bergauf und wieder herunter. Wir sind froh um jedes Stück betonierter Straße und können häufig nicht schneller als mit 30 km/h fahren. Die Strecke führt zur Nordseite der Insel. Plötzlich sind wir aus dem Dschungel heraus und fahren in Serpentinen an kargen steilen Berghängen entlang. Die Straße ist kaum noch als solche zu bezeichnen. Leitplanken, um vor einem Absturz zu schützen, gibt es gar nicht. An einem Regentag hätten wir den Ausflug an dieser Stelle sicherlich abgebrochen. Doch so ist der Weg trocken genug. Wir bewundern die Einheimischen, die diese Strecke möglicherweise täglich fahren, da es Einkaufsmöglichkeiten nur in Atuona gibt. Und wir verstehen, warum hier auf der Insel fast alle Fahrzeuge mit Allrad ausgestattet sind. Was in Europa eher nur schick ist, ist hier absolut notwendig. Der Weg, manchmal Straße, führt durch kleine Dörfer, die an den Stränden der Nordküste zwischen den Bergen liegen.
Und dann erreichen wir gegen Mittag das letzte Dorf, in dem auch unser Ziel die Tiki-Ausgrabungsstätte liegt. Die Stein-Tikis sollen mit ca. 2,50 m die größten in Polynesien sein. Uns gefällt dieser mystische Ort mitten im Dschungel, mit den aus Felssteinen ausgelegten Flächen, Stufen, die zu höheren Ebenen führen, behütet von den großen Steinfiguren, die hier alterslos mit geschlossenen Augen die Jahrhunderte überdauert haben. Könnten sie doch von früheren Zeiten erzählen, von der Zeit, in der sie geschaffen wurden. Wie es damals wohl hier war? Wir Beschließen noch ein Weilchen zu bleiben. Andere Touristengrüppchen haben inzwischen unter ausschweifenden Erklärungen ihrer Führer den Platz verlassen. Zu dem Standard-Ausflugsprogramm für Touristen gehört ein Mittagessen in einem der wenigen Restaurants der Insel, so dass der Platz nach kurzer Zeit ganz verlassen ist. Im Schatten der Bäume mit Blick auf die großen Tikis Genießen wir die Ruhe und unser mitgebrachtes Picknick. Der Rückweg ist dann etwas einfacher, weil wir die Strecke nun schon kennen und Hilde nicht mehr an jeder steil abfallenden Stelle in Panik gerät, trotz des sicheren Fahrers!
In der Nähe des Flughafens gibt es noch eine Abzweigung der Straße, die wir dann auch noch erkunden wollen. Die Straße bleibt dann auch Straße und führt in ein kleines Dorf in der Bucht Hanaiapa. Wir halten Ausschau nach Tiki-Werkstätten und werden auch fündig. Doch die meisten, der uns gezeigten Stücke, sind noch Rohlinge. Die fertigen Stücke sprechen uns nicht wirklich an. Wir fragen nach weiteren Werkstätten und landen nach einem kurzen Umweg durch das Dorf beim Nachbarn. Die Familie holt einen Karton und präsentiert uns die darin enthaltenen fertigen Stücke im Garten unter einem großen Brotfruchtbaum. Uns gefällt was wir hier sehen – Tikis, Schalen, Masken, Schildkröten und Mantas, ein kunstvoll geschnitztes Paddel und mehr …. Wir suchen aus und dann wird gehandelt. Um handelseinig zu werden, muss ein Stück sogar noch nach unserem Gusto geändert werden. Der Künstler geht zunächst nur zögerlich auf unseren Änderungswunsch ein, setzt ihn aber dann doch innerhalb von einer halben Stunde, und auch noch besser als erwartet, zur beiderseitigen Zufriedenheit um. Der Garten ist voller Fruchtbäume und als wir Interesse zeigen, beschenken die Frauen uns mit einer ganzen Tüte frisch gepflückter Früchte.
Als wir gegen Abend dann auf PACIFICO zurückkehren, sind wir erfüllt von den wunderbaren Eindrücken des Tages. Wir betrachten die erstandenen kleinen Kunstwerke, die uns nach Hause begleiten werden und freuen uns, dass wir diesen Ausflug dann doch gemacht haben und nicht weiter gesegelt sind.
Am nächsten Tag ist dann wieder Segler-Alltag. Rund 180 Liter Diesel in Kanistern und mit Dingi an Bord bringen um den Tank aufzufüllen, Wäsche waschen, Essen zubereiten, saubermachen, kleinere Reparaturen durchführen, einkaufen, Huhn einkochen, um unseren Speiseplan unterwegs zu ergänzen, Vorbereitungen für die Weiterfahrt. Hildes Freundin, die einen Teil des Jahres in Portugal im dortigen Haus verbringt, reagiert gelegentlich etwas empfindlich, wenn man denn fragt „wie war euer Urlaub in Portugal?“. Die Antwort ist dann „wir waren nicht in Urlaub, wir leben dort!“ Und so ist es mit unserer Reise denn auch. Manchmal ist es anstrengender, als es das Berufsleben war. Wir müssen uns auf immer wieder neue Situationen einstellen, haben einen 24-Stunden-Job (außer Hilde – die schläft gerne), immer aufmerksam sein, ob mit Wind, Wetter und Boot alles in Ordnung ist, müssen fast alles selbst reparieren können. Das heißt, alles machen, was im täglichen Ablauf so anfällt. Grundsätzlich ist es einfach eine andere Art des täglichen Lebens und eben kein Urlaub.
Da im Hafen am Wochenende noch ein kleines Musikfestival mit Essen und Trinken stattfinden soll, fahren wir nun doch erst am Sonntag weiter. Letztendlich sind wir jedoch von dieser Veranstaltung nur mäßig begeistert. Es sind kaum Besucher dort, die Musik ist nicht wirklich schwungvoll und mitreißend. Schade, denn die Veranstalter haben bestimmt viel Zeit und Mühe in die Vorbereitungen gesteckt.
Am Sonntag geht es dann endlich wieder los und wir verlassen nach dem Frühstück Atuona, um eine Bucht auf der Westseite der Insel zu besuchen. Der Hafen in Atuona war uns insgesamt zu unruhig und zu ungeschützt. Auch hatten wir keine Lust, in dem Wasser dort schwimmen zu gehen. Umso mehr freuen wir uns auf unser nächstes Badeerlebnis.
Als wir gegen Mittag in der Bucht ankommen, liegen dort die neuseeländische „Norma“, neben der wir auch die Woche über in Atouna lagen, und ein amerikanisches Schiff vor Anker. Doch die Bucht gefällt uns nicht. Also weiter zur nächsten. Hanaiapa. Dort ist auch das Dorf, das wir auf unserem Ausflug besucht haben. Die Dorfbevölkerung sitzt zum Teil in Strandnähe neben ihren Fahrzeugen, auf mitgebrachten Stühlen beim Barbecue und Bier. Aus großen Boxen erklingt stimmungsvoll Musik. Man unterhält sich und verbringt hier den Sonntag gemeinsam. Und danach, wenn alle wieder in ihren Häusern sind, liegt auch kein Müll herum. Es ist erstaunlich sauber auf den Inseln. Auch Grünabfall aus Gärten und vom Straßenrand werden zusammen geharkt, sofort verbrannt, also nicht einfach liegen gelassen.
Heute, am Montag, werden wir abends nach Nuku Hiva, der nördlichsten Insel weiter segeln und freuen uns auf neue Eindrücke und Erlebnisse.