Wind und Wetter sind günstig, als wir uns auf die Reise nach Tonga machen. Für die Strecke von rund 1.300 Meilen rechnen wir ungefähr 10 Tage bis zur Ankunft in Vava’u im Norden vom Königreich Tonga. PACIFICO rauscht im Sonnenschein mit gut 7 Knoten Geschwindigkeit dahin. Und dann geht uns auch schon unser Zeitgefühl wieder verloren.
Wir sind unterwegs. „Unterwegs“, das ist unsere Zeitmessung, bestimmt von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, von Wind und Wolken, vom nächtlichen Sternenhimmel, vom Schlafen und wachen, von den gemeinsamen Mahlzeiten und unseren Gesprächen, vom Schweigen während unsere Blicke über die endlose Weite des Meeres schweifen, Positionsmeldungen per Sailmail nach Deutschland.
Diesmal kommt noch etwas für uns Neues hinzu: täglicher Kontakt zu den anderen Seglern in einer abendlichen Funkrunde. Wir sind also nicht allein unterwegs. Mit uns sind die Walkabout, die Meerbaer und die Salmon. Auch wenn wir außer Sichtkontakt segeln, haben wir durch die abendlichen Gespräche diesmal nicht das Gefühl allein zu reisen. Jeden Abend werden Positionen, Vorankommen, Wetterbedingungen, Erlebtes und alltägliches ausgetauscht. Ein ungewohntes, aber gutes Gefühl von Gemeinsamkeit, dass wir hierbei empfinden. Dennoch wissen wir, dass wir weiterhin unser eigenes Zeitempfinden auf der Reise haben. Und das wir unsere sehr eigene Weise haben, wie wir unterwegs sind, die sich sehr von der der anderen unterscheidet.
Es ist ein wunderbares Gefühl wieder unterwegs zu sein, losgelöst und frei, gespannt auf das, was uns erwarten wird, wenn es an der Zeit ist. Was uns zunächst erwartet, ist ein unbeständiges Wetter. Der gute Wind, mit dem wir gestartet sind, sorgt nach kurzer Zeit auch für „gute“ Wellen und bewegte See. Das macht die erste Nacht etwas anstrengend. Dazu kommt, dass wir immer wieder schauen müssen („wir“ ist natürlich Hermann), wie nah die anderen Boote uns kommen, die mit unterwegs sind. Unachtsamkeit könnte fatal sein. Die nächsten Tage relativiert sich dies, da die Abstände zwischen den einzelnen Booten immer größer werden. Der anfängliche Wind, der uns auf eine schnelle Fahrt hoffen ließ, wird immer weniger. Als der Wind in Höhe der Cook Islands mitten in der Nacht plötzlich ganz einschläft, werden wir unsanft vom Radaralarm geweckt. Wir treiben zweieinhalb Meilen vor Palmerston mit schlappen Segeln auf die Insel zu. Zeit unseren „Yan“ zum Einsatz zu bringen und ein gutes Stück zu motoren und den Wassermacher seine Arbeit tun zu lassen. Auch die Batterien freuen sich über diesen unerwarteten Energieschub. Bei Sonnenaufgang ist zumindest wieder genügend Wasser in den Tanks und dadurch, dass der Motor lief, gibt es auch wieder reichlich heißes Wasser zum Abwaschen und zum Duschen. Da es den ganzen Tag windstill bleiben soll, nutzen wir die Gelegenheit für ein Bad im Pacific, auf den Sprossen der Badeleiter stehend. Und da gerade alles so relaxt ist, wird auch die angefallene Wäsche gewaschen. Doch bevor wir weitere Pläne machen können, brist es langsam auf, und schon sind wir wieder gut unterwegs. Nix mehr mit angesagter Flaute, sondern um die 20 Knoten Wind. Und nicht nur Wasser unter PACIFICO, sondern auch oben drüber. Das Badezimmerfenster! Es steht vom Duschen immer noch auf! Nun, im Bad lässt sich ja das Wasser gut abpumpen Smiley Emoticon Es dauert nicht lange und das Deck von PACIFICO ist blitz blank bis in die hinterste Ecke. Und zwar inclusive Cockpit. Auch hier schwappt immer mal wieder Wasser rein, dass über die Sprayhood schießt oder von einer backbord auftreffend Welle hereinspritzt. Es ist ein Schauspiel dieses bewegte Meer. Wir kommen gut voran und PACIFICO macht trotz der Wellen gute Fahrt.
An unserer Route liegt das Antiope Riff. Es ist ein Unterwasserberg, dessen Spitze bis nur 9 m unter die Wasseroberfläche reicht, kaum zwei Meilen von der 4.000 Meter Tiefenlinie entfernt. Es soll Tage geben, an den sich die Wellen hier brechen. Wir finden das spannend und wollen es uns bei Tag ansehen. Um nicht nachts daran vorbei zu fahren, nehmen wir Fahrt raus und reffen die Segel. Eine nicht so gute Entscheidung. Am nächsten Morgen, als das Riff in Sicht sein soll, ist nichts zu sehen. Laut unserer Karte fahren wir mitten drüber, aber unser Tiefenmesser zeigt keine geringen Tiefen an. Nach Vergleich mit einer weiteren Karte stellen wir fest, dass wir das Riff wohl um 2 Meilen verfehlt haben. Zurück wollen wir dann aber auch nicht. Schade um den in der Nacht verschenkten Wind, der dann im Laufe des Tages immer weniger wird. In der darauffolgenden Nacht schläft der Wind dann auch schon wieder ganz ein. So geht es bis Tonga mit mal mehr und mal weniger oder sogar gar keinem Wind. Schließlich kommt Yan auf den wenigen letzten Meilen um Vava’u herum wieder zum Einsatz, bis wir am Sonntag – nein, am Montagmorgen um 3.00 h sicher in einer Bucht vor Neiafu vor Anker gehen.
Also eigentlich ist ja Sonntagmorgen. Auf dem Kalender steht jetzt aber Montagmorgen. Ein Zeitsprung. Einen Tag haben wir verloren. Tonga rechnet sich einer anderen Zeitzone zu. Lagen wir zeitlich bisher 12 Stunden hinter Deutschland, sind wir nun auf 13 Stunden vor Deutschland gesprungen. Die ganze Rechnerei mit Zeit hat uns auf der Reise schon ziemlich beschäftigt und uns immer wieder in Verwirrung gestürzt. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass in der abendlichen Funkrunden mit den anderen Booten von UTC die Rede war, also der Zeitbasis, auf der die einzelnen Zeitzonen gerechnet werden, wobei auch die Sommerzeit noch zu berücksichtigen ist. Was für eine Rechnerei!!!
Da ist der Fischfang dann doch ein viel entspannteres Thema. Obwohl wir auf den Marquesas unsere Fishing-Tools ziemlich aufgerüstet haben, wir in Papeete den über Bord gegangenen Gaff Haken ersetzt haben, waren wir bisher nicht mehr erfolgreich und haben keinen Fisch gefangen. In der abendlichen Funkrunde ist man sich einig, dass nachts die beste Zeit für ein erfolgreiches angeln sein soll. Also nachts haben wir es bisher noch gar nicht versucht. Und wir finden diese Empfehlung auch nicht so wirklich gut. Es ist nicht unsere Zeit und es ist dunkel. Aber man soll ja nichts unversucht lassen und so versucht Hermann morgens um 5 Uhr sein Glück. Ohne Erfolg. Am Vormittag beißt schon mal ein Fisch an, doch bis wir an der Angel sind, ist er auch schon wieder vom Haken. Vielleicht hat es nichts mit der Dunkelheit in der Nacht zu tun, sondern mit dem schlafen an sich? Wir halten ein Mittagsschläfchen und werden mit einem 9 kg schweren und 1,20 m langen Mahi-Mahi belohnt. Reiner Zufall? Kaum zu glauben Zwinkerndes Smiley Emoticon Wir wiederholen das ganze nämlich noch einmal wenige Tage später, einen Tag bevor wir Tonga erreichen. Angel raus, Mittagsschlaf halten, diesmal fangen wir einen immerhin noch 6 kg schweren Mahi-Mahi Smiley Emoticon Geht doch!
Unsere erste Nacht in Tonga ist kurz. Obwohl wir erst gegen 4 Uhr morgens zum Schlafen gekommen sind, sind wir um 7 Uhr schon wieder auf. Und wir sind nicht die einzigen Frühaufsteher, wie sich kurz darauf zeigt. Ein paar merkwürdige unerwartete Geräusche und ein „Good Morning!“ und dann taucht ein Kopf am Waschbord auf. Der Mann ist Neuseeländer, heißt David, und ist unser Nachbar. Eine nette Begrüßung. Er erzählt uns, dass er schon viele Jahre hier unterwegs ist, und berichtet uns, auf was wir alles achten müssen und wie es hier so läuft. Richtig nett und hilfreich. So etwas wünscht man sich häufiger. Auch später, als wir schon zum einklarieren am Pier liegen, kommt er noch einmal vorbei und schaut, ob er uns irgendwie helfen kann. Als er uns dann verlässt, freut er sich über den halben Mahi-Mahi, unser Angelerfolg vom Vortag, der in seinen Rucksack gewandert ist.
Das einklarieren benötigt hier seine Zeit. Vier Offizielle kommen nacheinander an Bord: Quarantäne, Gesundheit, Zoll und Migration. Es dauert fast drei Stunden bis alle Formulare ausgefüllt sind, wir unsere Visa-Stempel in den Pässen haben und die Gebühren in der hiesigen Währung von uns bezahlt sind. Alle sind sehr freundlich und nett. Aber es dauert eben. Alles der Reihe nach und wir sind ja auch nicht die einzigen, die heute ankommen. Doch dann ist es geschafft. Wir suchen uns eine freie Mooring vor dem Ort und haben jetzt Zeit zum Ankommen. Der erste Eindruck ist sehr ansprechend und wir freuen uns auf die nächsten Wochen, die wir hier verbringen werden.