Nach einer Anreise von gut 38 Stunden sitzen wir wieder im Revas, einem Café und Restaurant, im Town Basin in Whangarei.
Bis hierher lief alles wie geplant. Die Flieger von Hamburg hierher sind mehr oder weniger pünktlich gestartet und gelandet. In Shanghai konnten wir, gut vorbereitet, wie wir waren, nachweisen, dass wir zwar kein
Rückflugticket haben, in Neuseeland in Whangarei aber unser Boot liegt, mit dem wir dann aus dem Land auch wieder ausreisen werden. Es dauerte trotzdem rund 20 Minuten, bis wir auf den Flieger eingecheckt waren. Insgesamt waren wir froh, über zwei Stunden Aufenthalt in Shanghai zu haben. So konnten wir sogar noch eine Kleinigkeit essen, bevor es dort weiterging.
Nachmittags bringen wir die fast 70 kg Gepäck aus Deutschland, hauptsächlich Bootstools, die wir mitgebracht haben, an Bord. Anschließend packen wir unsere Sachen für unsere Camping-Rundreise durch Neuseeland. Eine feste Route gibt es noch nicht und die heutige Nacht bleiben wir auch noch erst einmal in Whangarei, wenn auch nicht an Bord. Dass wir ein Auto haben, nutzen wir, um unsere Segel noch zum Segelmacher zu bringen. Sie sollen überarbeitet werden. Den Generator bringen wir in eine Werkstatt, um ihn durchprüfen zu lassen. Er hatte unterwegs doch so einige Male gemuckt. Und na klar, wir wollen auch die MEERBAER besuchen. Anne und Rainer sind zwei Tage vor uns aus Deutschland zurückgekehrt und wir freuen uns auf ein Wiedersehen.
Unser Vorhaben, auf einem Parkplatz in der Nähe der Town Basin Marina zu übernachten, geben wir kurzfristig auf. Die Kosten für den Campingplatz zu sparen und dafür eine Strafe von 200 Dollar zu riskieren, macht keinen Sinn. Also machen wir uns am späten Nachmittag auf die Suche nach einem Campingplatz in Whangarei und landen auf einem ‚Top-10-Platz‘. Die Kosten von 44 Dollar verwundern uns etwas. Ist dieser Campingplatz teurer als die anderen? Ein Platz für die Nacht sollte nur so um die 20 Dollar kosten laut unserem Autovermieter? Wir werden die nächsten Tage die Erfahrung machen, dass es kaum günstiger, aber auch schon mal teurer geht. Freies campen auf kostenlosen Campingplätzen geht mit unserem Camper nicht, da er nicht mit einer Toilette und einem Schmutzwassertank ausgerüstet ist. Also haben wir nur die Möglichkeit auf kostenpflichtigen Campingplätzen zu übernachten, die entsprechend sanitäre Anlagen bieten. Und auch hier werden wir erfahren, dass es erhebliche Unterschiede in Service und Ausstattung gibt. Letztendlich werden wir uns eine zwei Jahre gültige Clubkarte für die ‚Top-10-Campingplätze‘ kaufen, die sich aufgrund diverser Ersparnisse sehr schnell bezahlt machen wird. Die hieran angeschlossenen Campingplätze bieten einen passablen bis guten Standard.
Am nächsten Morgen besorgen wir uns für die nächsten Wochen noch eine 3G-Karte für das Internet und kaufen anschließend noch ein paar Lebensmittel für die Selbstversorgung ein. Und dann geht es los mit unserer Neuseelandrundreise über Land.
‚Links fahren‘ ist erst einmal die größte Herausforderung für uns auf diesem Trip. Es dauert ein paar Tage, bis wir das inhaliert haben. Da passiert es schon einmal, dass uns ein Auto auf unser Straßenseite entgegenkommt, und wir erst dann merken, dass wir auf der falschen Straßenseite sind.
Was uns auf der Fahrt Richtung Norden als erstes auffällt, ist der süße der Duft des Neuseeländischen Sommers, der durch die herabgelassenen Fenster in den ganzen Wagen strömt. Überall blühen weiße und lavendelfarbene Puschel (Schmucklilien?) und verströmen ihren süßen Duft. Sie blühen an den Straßenrändern, in den Gärten, an den Hängen. Kaum ein Ort, an dem wir sie nicht erblicken und ihr Duft nicht die Luft erfüllt. Immer wieder ist die Landschaft von 5 – 10 m hohen, schmalen Baumhecken unterbrochen, die vermutlich als Windschutz dienen. Hinter diesen Hecken sind häufig Obstplantagen angelegt. Dort gedeihen beispielsweise Kiwis, aber natürlich auch andere Früchte und auch Wein.
Wir fahren nach Opua in die Bay of Islands. Hier haben schon einige der anderen deutschen Boote, die wir inzwischen kennen gelernt hatten, vor Anker gelegen. Es ist eine gut geschützte Ankerbucht. Das Wasser ist jedoch braun gefärbt vom Flussschlamm, der mit jeder Tide in Meer gespült wird. Der Ort ist sehr klein und wohl mehr ein Feriendorf. Außer einem ‚Generalstore‘ gibt es wohl wenig Einkaufsmöglichkeiten. Von einem Mitarbeiter eines Boots- und Campingbedarfsgeschäftes bekommen wir den Tip, nach Whangaroa zu fahren und uns auch die Westseite der Nordinsel anzusehen.
Wir schauen uns den idyllischen Whangaroa Harbour an und machen Station auf den dortigen Campingplatz. Der Platz sieht eigentlich geschlossen aus. Es steht nur ein Zelt dort, von dem wir nicht erkennen können, ob es derzeit benutzt wird. Die Rezeption ist geschlossen und es brennt in dem dunklen Raum auch nirgends ein Licht. „Bitte klingeln“ steht auf einem Schild, was wir dann auch tun. Sekunden später öffnet der Campingplatzbetreiber uns die Tür und heißt uns willkommen. Natürlich hat er für uns Platz. Wir dürfen wählen und uns hinstellen, wo auch immer wir möchten. Die Saison sei schon fast vorbei, da die Ferien in Neuseeland an diesem Wochenende enden.
Obwohl der Campingplatz mit allem ausgestattet ist, inkl. WiFi, ist er doch insgesamt sehr einfach und nicht unbedingt wirklich sauber. Aber für die Nacht reicht es.
Unser Abendessen bereiten wir auf unserem mitgebrachten Grill und dann wird zeitig schlafen gegangen. Die wohlverdiente Nachtruhe bleibt jedoch aus. Durch die geöffneten Fenster sind hunderte von Mücken ins Auto gekommen, die sich auch von unserer Bettdecke nicht abschrecken lassen und uns stechen. Am nächsten Morgen sind wir von Mückenstichen übersäht, die drei Tage später erst richtig zu brennen und zu Jucken anfangen. Camper-Glück, auf das wir gerne verzichtet hätten.
Die Fahrt geht am nächsten Tag weiter nach Norden, zunächst entlang der Ostküste und dann zum ’90 Miles Beach‘. Sind die Spuren im Sand dort noch von Thomas und Frauke ‚Walkabout‘, die hier im November Richtung Süden marschiert sind?
Hier rollen die Wellen der Tasmansee an den Strand und gefühlt ist das Meer hier deutlich kälter, als auf der Ostseite Neuseelands, wo es der Pazifik ist. Hier am Strand beschließen wir, dass Nordkap auszulassen und wieder in Richtung Süden zu fahren. Wir dürfen mit unserem Camper ohnehin nicht die letzten 20 Kilometer von Te Hapua bis zum Kap fahren. Also besuchen wir noch Ahipara. Der Ort liegt am südlichen Eingang der ’90 Miles Beach‘ und ist mit vielen Häusern, die auch einen Meerblick haben, bestimmt auch ein gern besuchter Ferienort.
Straßenschilder, Karten und GPS – und manchmal nimmt man doch nicht die richtige Abzweigung. Schon landet man in einer Gegend, die immer einsamer wird und die Straße zur Schotterpiste. Vereinzelt tauchen noch Farmen auf. Wir fragen nach dem Weg. Die Straße führt ins Nichts und wir müssen umkehren. Belohnt wurde unser Umweg mit dem Blick auf eine wunderschöne Berglandschaft mit Flüssen und Seen und in der Ferne die Küste und die Tasmansee.
Wir haben viele Schafherden erwartet. Sehen tun wir kaum welche und dann sind es so wenige Schafe, dass man die kaum als Herde bezeichnen kann. Hauptsächlich sehen wir Rinder und Rinderherden. Aber irgendwo muss doch das ganze Lammfleisch herkommen, dass in aller Welt verkauft wird? Wir sind gespannt, ob sich das Bild noch ändern wird.
Die Häuser, die wir über Land sehen, ähneln sich irgendwie alle. Überwiegend sind sie einstöckig, cremefarben oder hellgrau, mit meist dunklem Dach. Von weitem sehen sie aus wie Holzhäuser, was einige wohl auch tatsächlich sind. Tatsächlich handelt es sich aber nur um eine Holzoptik und die ‚Holzbohlen‘ sind aus so etwas wie Eternit. Pflegeleichte Bausätze. Steinhäuser und mehrstöckige Häuser sind auf dem Land eher die Ausnahme. Doch ab und zu sehen wir auch romantische Holzhäuser im Kolonialstil mit überdachter Terrasse, auf der man einen Schaukelstuhl erwartet.
Uns fallen die Briefkästen auf, die überall vor jeder Einfahrt und jedem Haus stehen. Hier hat noch niemand, wie beispielsweise aktuell in der Schweiz, auf Normierung gedrungen. Sie sind so individuell, wie die Menschen, die hier wohnen. Da sieht ein Briefkasten schon mal aus, wie ein Legosteinhaus, ein Vogelhäuschen oder es wurde eine alte Mikrowelle einfach zum Briefkasten umfunktioniert.
Wir sind wieder auf der richtigen Straße nach Süden auf der Westseite der Nordinsel. Häufig führt der Weg über kleine, sich durch das grüne Land schlängelnde Flüsse und Bäche und fast ebenso häufig wird dann aus der normalen zweispurigen Straße eine einspurige Brücke. Vielleicht erfahren wir ja irgendwann einmal, warum die Neuseeländer hier gespart haben.
Und wieder wird die Straße einspurig und hört sogar auf. Nicht ganz. Es geht mit der Fähre weiter über den Hokianga Harbour nach Ravene. So können wir ein ganzes Stück Strecke sparen und an der Küste bleiben. Eine absolut lohnenswerte Entscheidung bei dem sonnig warmen Wetter.
Der Aussichtspunkt bei Omapere, den man über einen hochgelegenen kurzen und sehr gepflegten Wanderweg erreicht, gewährt uns einen traumhaften Ausblick. Wir stehen hoch über der Tasmansee, am Eingang des Fjordes Hokianga Harbour, mit Ausblick auf Küste und die umliegenden Strände. Gewaltig und imposant, träumerisch märchenhaft und Freiheit verheißend. Unsere Gedanken fangen an zu fliegen. Es ist so, wie wir es mögen.
Nach einem kurzen Plausch mit dem Parkplatzwächter, einem hiesigen Farmer, geht es weiter nach Süden. Unser nächstes Ziel sind die riesigen Kauri-Bäume. Sie sind Jahrtausende alt. Ihr Umfang beträgt über 13 m und sie können schon mal locker über 50 m hoch werden. So einen Urwaldriesen vor sich zu haben, erweckt in uns ein Gefühl der Ehrfurcht. Diese riesigen Bäume versetzen uns in die Urzeit und geben uns ein anderes, wiederum neues Zeitgefühl. Auch die riesigen Farne in diesen Wäldern, durch die diese Straße führt, verstärken dieses unwirkliche Zeitgefühl.
Am späten Nachmittag erreichen wir am Waipoua Forest unsern Campingplatz für die Nacht. Der Kauri Coast Top 10 Holiday Park ist vorerst einer der schönsten Campingplätze, die wir kennen lernen. Mitten im Urwald gelegen, an einem Fluss, der auch einen Badesee bildet, liegt er wunderschön. Er ist nicht allzu groß und überschaubar. Die Ausstattung ist ansprechend, sodass wir uns durchaus wohl fühlen. Langsam gewöhnen wir uns an das Campingleben, dass trotz allem doch sehr viel mühsamer ist, als unser Bordleben.