Nach genau zwei Monaten in Deutschland geht es endlich wieder zurück nach Hause. Ich meine damit weniger den Ort, zu dem ich fliege, als eben die Amiga, die mittlerweile genau das geworden ist: mein Zuhause.
Letzte Vorbereitungen in Deutschland heißen jetzt, nach der Auflösung des Laboe-Haushaltes, dass ich meine Sachen in ein Lager in Hamburg bringe. Auch gut. Ich bin viel zu früh am Flughafen, gebe den Mietwagen ab, und nehme mir noch die Zeit für ein frühes Abendessen. Mit dem Gepäck muss ich etwas tricksen, da ich rund 7 kg zu viel habe und eine Kleinigkeit in meinem Gepäck auch nicht unbedingt zu den erlaubten Dingen gehört, die ich mitnehmen darf. Doch ich brauche es nun einmal unbedingt und bekomme es in den Solomonen nicht.
Beim Einchecken klappt alles prima und auf der ersten Teilstrecke kann ich es mir auf drei Sitzen bequem machen. Einzig ein schreiendes Kind stört die Nachtruhe. Dieses Kind schafft es auch weitere 14 Stunden im Anschlussflug nach Brisbane mit nur sehr kleinen Unterbrechungen zu schreien und macht jeglichen Schlaf unmöglich. In Brisbane steht der kleine Bursche mit seinen Eltern, die etwas geschafft wirken, und einem friedlichen Brüderchen vor mir in der Reihe und ist topfit. Unglaublich.
Ich muss in Brisbane noch einmal einchecken nach Honiara, weil wir damals keinen durchgehenden Flug Gizo – Hamburg und zurück buchen konnten.
Leichte Gepäckumverteilung und es klappt wieder gut. Da es sich mit einem Migrationletter und Einreise-Visum in die Solomons als teuer und schwierig gestaltet hatte, habe ich ein stornierbares Flugticket Honiara-Brisbane gekauft. Prompt muss ich es vorzeigen und es wird geprüft. Alles gut. Pünktlich sitzen wir dann alle im Flieger, doch es geht noch nicht los. Technische Probleme. Ach nein. Bitte nicht. Der Anschlussflug nach Gizo ist mit einem Zwischenstopp von eindreiviertel Stunden schon knapp und als wir endlich in der Luft sind, sind es nur noch 45 Minuten. Ich frage die Flugbegleiter, ob der Anschlussflug warten wird und bekomme Instruktionen, wie ich am schnellsten durchkomme. Schliesslich muss ich in Honiara auch noch vom Internationalen zum Nationalen Airport wechseln und zwischendurch diverse Pakete einsammeln, die mir vom DHL Shop zum Flieger gebracht werden. Wenn ich die dann auch noch zur Luftfracht bringen soll, bezahlen und was weiss ich noch? Das wird aber wirklich knapp und sportlich. Eigentlich wollte ich auch noch Bargeld besorgen und Internet aufladen. Das kann ich nun schon einmal ersatzlos streichen.
Bei der Ankunft lasse ich mich vom Bodenpersonal direkt durchschleusen, fülle schnell die Gesundheitskarte aus (auch hier macht man sich Sorgen wegen dem Corona Virus) und stehe dann vor dem Einreisebeamten. Der kontrolliert die alten Ein- und Ausreisestempel. Ich säusele ihm etwas vor, wie schön es ist, wieder hier zu sein und ob ich nicht gleich ein Visum für drei Monate bekommen könnte. Üblich sind 45 Tage und die Verlängerung kostet 800 SBD. Natürlich bekomme ich, ohne das er zögert, mit einem Lächeln meine drei Monate. Super. Mit dem Gepäck geht auch alles klar und schon stehe ich in der Ankunftshalle und werde dort, wie geplant, erwartet. Anderson vom DHL Shop hält ein Schild mit meinem Namen hoch. Ich bin ich nicht die Einzige, die den Anschlussflug bekommen muss. Gut organisiert steht ein Transferbus bereit und bringt uns hinüber zum anderen Airport. Dort wartet nun bereits Anderson wieder auf mich mit den Paketen. Das Trinkgeld erhält er offenbar unerwartet, wir mir sein strahlendes Lächeln verrät.
Und ich habe noch einmal Glück. Ich weiss, das Hermann sein Flug-Ticket nicht stornieren konnte. Deshalb kann ich die Kartons, als ich darauf hinweise, kostenlos mitnehmen. Wirklich zu interessieren scheint mein vieles Gepäck aber ohnehin niemanden. Überhaupt ist der ganze Service bei Solomon Airlines sehr nett und unkompliziert. Viel netter als bei Emirates. Und das Essen ist auch nicht schlechter als dort. Bei Emirates gab es erst nach 2 Stunden in der Luft etwas zu essen und zu trinken. Bei Solomons wurden die ersten Getränke schon gereicht kurz nachdem man Platz genommen hatte. Das war sicherlich auch der Verspätung geschuldet. Trotzdem empfand ich das als sehr aufmerksam und aus meinen Erfahrungen heraus nicht als selbstverständlich.
Im Inlands-Flieger sehe ich bereits erste Bekannte wieder, die ich im letzten Jahr schon in Gizo gesehen hatte. Nicht, dass ich sie wirklich wiedererkannt hätte. Doch jeder kennt Amiga und Pacifico, die vier Wochen vor dem Markt gelegen hatten und jeder erinnert sich sofort. Als ich erzähle, dass Noel mich vom Airport abholen wird, finden wir uns alle schnell auf freundschaftlichen Boden wieder. Es ist eine erstaunlich kleine Welt hier in den Solomonen. Mit dem Abholen klappt es auch perfekt. Das Liapari-Boot liegt bereit und ich habe Hilfe mit meinen mittlerweile 70 kg schweren Gepäck. Es ist ein wunderbares Ankommen. Ich freue mich Noel wiederzusehen und bekomme erste Informationen, was sich hier so in der Zwischenzeit getan hat.
Das Meer ist erstaunlich ruhig. In weniger als einer Stunde stehe ich an Deck der Amiga. Das Gepäck wird herübergereicht und meine Lebensmittel-Vorbestellung ist auch dabei. Perfekt. So bin ich erst einmal gut versorgt, esse zu Abend und falle wenig später todmüde ins Bett. 12 Stunden Schlaf sind nach so einer Reise nicht weiter verwunderlich.
Am nächsten Morgen packe ich zu Ende aus und sortiere mich erst einmal. Eine Stunde später habe ich die ersten blauen Flecken. Bootsküsse. Ich hätte nicht gedacht, dass zwei Monate Abwesenheit meine Bewegungen so ungelenk gemacht haben, dass ich mich an den merkwürdigsten Stellen und Ecken stosse. Ich merke schon, ich brauche eine Wieder-Eingewöhnungs-Phase. Das kann ja heiter werden.
Aber es ist ja Wochenende und ich werde es ruhig angehen lassen. Am Boot gearbeitet wird frühestens ab Montag.
Ich schlendere über da Gelände und schaue mich um. Noel macht den kleinen Laden für mich auf, damit ich Margarine für den Sonntagskuchen bekomme – wenn es denn schon keine Butter gibt. Der allabendliche Stammtisch wird sehr unterhaltsam. Es sind die Besitzer des grossen Katamarans, der neben der Amiga liegt, mit mir angekommen. Zumindest wohnen die beiden Männer darauf. Der eine ist Fijianer und gehört offenbar zu den alteingesessenen Familien dort, die sich auf den Inseln schon so um 1850 angesiedelt hatten. Und sie haben ihre Finger in allen möglichen Unternehmen und Geschäften und besitzen ausserdem ein Ressort. Ich bekomme das erst im Laufe des Abends heraus, nachdem ich mich über seine Erzählungen gewundert habe und wie er sich gegenüber den Einheimischen verhält. Das war schon irgendwie seltsam. Ich kenne es eigentlich nur, dass man eher zurückhaltend und freundlich versucht alles zu regeln. Das scheint aber so gar nicht seine Art zu sein. Der andere Mann kommt aus Honiara und hat mich denn wohl auch wiedererkannt. Mein eigenes Personengedächtnis lässt da eher zu wünschen übrig. Er wusste aber, dass wir uns in seinem Cafe-Restaurant, dem Breakwater, in Honiara gesehen haben.
Am Sonntag Morgen wird Kuchen gebacken, denn Mittags gibt es Pizza-Lunch. Alle kommen dazu, wenn Noel für die Gemeinschaft Pizza zubereitet, und bringen auch selbst etwas zum Essen mit. So wird der Lunch zum bunten Buffet.
Eine amerikanische Familie mit den zwei Kindern schwärmt noch von Neuseeland, wo sie Renate und Martin kennengelernt haben. Die Seglerwelt ist klein. Der 10jährige Sohn hat für uns alle Pasta gemacht und einen Apfelkuchen gebacken. Ein erstaunlicher kleiner Bursche. Höflich, freundlich, offen und sehr interessiert. Er sorgt auch dafür, dass alle zusammenkommen, wenn jemand den Termin versäumt. Und das in seinem Alter. Sein kleiner Bruder ist da wesentlich introvertierter.
Auch Luciana und Gavin sind wieder hier und ich freue mich, die beiden wiederzusehen. Es ist in der Tat ein wenig wie „Nach-Hause-Kommen“ und es fühlt sich gut an.
Es ist ein schöner Start in die nächste Segelsaison, die ich für mich inzwischen neu geplant habe. An der Strecke Richtung Indonesien wird sich nichts ändern. Doch nach fünf Jahren mehr und weniger gemeinsamer Zeit mit Pacifico werden sich unsere Wege jetzt trennen. Es war eine wunderbare, erlebnisreiche Zeit, an die ich gerne zurückdenken werde.